Süddeutsche Zeitung

Regierungssprecher Seibert:Es grüßt ein politischer Konfirmand

Offizielle Amtseinführung des Regierungssprechers: Kein ZDF-Studio schützt Steffen Seibert. Aber der politische Novize hat in der lächelnden Kanzlerin eine routinierte Helferin.

Hans-Jürgen Jakobs

An seine alte Starrolle im Fernsehen erinnert vor allem die Stimme. Ja, sie klingt nach Steffen Seibert, dem Mann von heute und heute-journal im ZDF. Mit diesem sanften Timbre hat er an Wahlsonntagen die Prozentpunkte hoch und runter präsentiert, ein durch und durch angenehmer Presenter in der Nachrichtenwelt.

Doch sein Aussehen hat sich irgendwie verändert. Der Schutz des Studios ist weg, der alte Flirt mit der Kamera funktioniert nicht mehr. Hier wirkt der 50-jährige wie ein Schlaks, wie ein politischer Konfirmand. Die Haare etwas kürzer, streng gescheitelt, die Wangen gerötet, steht Steffen Seibert kerzengrade im Raum, leicht schwankend wie ein Weizenhalm im leichten Sommerwind. Er weiß nicht, wohin mit den Beinen in dem etwas zu weiten Anzugstoff.

Das ist sein erster großer Tag in der neuen Rolle des Regierungssprechers, der offiziell in Berlin vorgestellt wird. Der Journalist, der im öffentlich-rechtlichen Fernsehen unabhängig sein musste, spricht nun für die Frau im taubenblauen Kostüm neben ihm, die Kanzlerin Angela Merkel.

Die CDU-Chefin ist an diesem Montag gut erholt aus dem Wanderurlaub zurückgekehrt. Sie lächelt viel, schaut lächelnd zu ihm hoch und und preist den Mann, der künftig sie preisen soll.

Seibert könne "gut zuhören und seine Meinung sagen", sagt Angela Merkel, man sehe ihm aber auch an, "wenn er etwas nicht zu hundert Prozent überschaut" (was dem Journalisten wohl Hoffnung machen soll). Sie habe irgendwann nicht mehr ignorieren können, dass der bisherige Sprecher Ulrich Wilhelm gehen wollte (als Intendant zum Bayerischen Rundfunk), dann lange nachgedacht, ehe sich plötzlich "ganz neue Möglichkeiten" eröffnet hätten.

Die Regierungschefin wünschte ihrem ersten Verkäufer noch viel Glück, auch im Eigeninteresse, und versprach: "Ich werde versuchen, mich so vernünftig zu verhalten, dass Sie möglichst wenig Ärger mit mir haben." Schließlich raunte: "Seien Sie ein guter Chef!" Dann bedankte sich der Fernsehprominente erst einmal artig, dass er nun die Sprachregelung kenne, warum er in die Politik wechsle.

Überhaupt: Der langjährige Journalist des ZDF (seit 1988) ergeht sich nun in bewundernden Worten für Angela Merkel, die neue Chefin, die jetzt ihm ja den Takt vorgebe. Wie schnell das geht, das Umschalten von Presse-Neutralo auf Regierungsschmeichler!

Was soll Steffen Seibert an dieser Stelle aber auch erzählen? Dass es nicht mehr so richtig weiterging im ZDF, wo ihm neben Peter Frey, Maybrit Illner und Claus Kleber nur eine Zukunft als sympathischer Nachrichtenmann, Wahlabendprofi und Gelegenheits-Showmoderator blieb, also eine einzige Wiederholung dessen, was er ohnehin gemacht hat?

Er kann auch schlecht davon erzählen, dass er - bis auf die Linke - alle Parteien schon mal gewählt hat und sich immer als "Wechselwähler" sah. Lieber redet Seibert jetzt von der "Begeisterung", die er sofort im großen Bundespresse- und Informationsamt gespürt habe, ja sogar vom "intellektuellen Vergnügen" und vom "Privileg", dort arbeiten zu können. Alles eine Schleimspur zu dick. Vorgänger Wilhelm habe ihn dankenswerterweise in einem "Extra-Crashkurs" in die Feinheiten des Postens eingeführt, und nun wird er bei allen wichtigen Runden dabei sein, so wie UIrich Wilhelm vor ihm.

Seibert sagt noch all die Pflichtsachen bei solchen Terminen ("offenes Ohr haben", "alles neu") und kündigt an, die Entwicklung der Medienlandschaft abbilden zu wollen, was auf mehr Tweets und Facebook-Einträge schließen lässt. Vielleicht aber interviewt Steffen Seibert künftig jede Woche die Kanzlerin und stellt das dann ("Zur Sache, Kanzlerin!") ins Netz - als Ersatz für ihr bisheriges blutarmes Videoblog.

Warum sollen all die Interview-Techniken, die Seibert im ZDF gelernt hat, ungenutzt bleiben? Er muss eine Regierungspolitik verkaufen, die in den Augen der Bürger missraten ist: Die schwarz-gelbe Koalition liegt in den Umfragen weit hinter Rot-Grün. Da hat der Seitenwechsler vom ZDF Einiges zu tun.

Es sei ihm "peinlich", sagt der Neue gegen Ende, dass er bei seiner offiziellen Einführung den Personalratschef vergessen hat, der ihn auch noch begrüßen will. Der hält es dann kurz.

Schon am Morgen, bei der ersten Runde vor Hauptstadtjournalisten, war Seibert erkennbar nervös gewesen. Er hatte in einem Wust von Papieren gewühlt und auf die Frage aller Fragen, die nach seiner Zukunft, eine amtstypische Antwort gefunden: "Schauen wir mal, wie das ausgeht."

Damit liegt man nie falsch. Dieser Satz geht immer, übrigens auch als Abschluss eines Artikels.

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