Süddeutsche Zeitung

Steffen Seibert: 100 Tage im Amt:Regierungssprecher auf Montage

Vom ZDF-Anchormann zum Sprecher der Bundesregierung und Börsenschreck. Steffen Seibert muss erkennen, dass es wohl mehr als 100 Tage braucht, um ein neues Handwerk zu lernen.

Thorsten Denkler, Berlin

Ein Leben wie auf Montage. So fühlt sich das derzeit an, bekennt Steffen Seibert in der aktuellen Ausgabe des Klatschblattes Bunte. Der smarte Sprecher der Regierung Angela Merkel meint damit freilich die Pendelei zu Frau und Kindern in die hessische Heimat. Nicht die Art der Arbeit in Berlin.

Vielleicht wäre aber Monteur keine schlechte Alternative für den Ex-Anchormann des heute-Journals im ZDF. Die dürfen sich zwar auch keine groben Fehler erlauben. Wenn einem Monteur aber mal der Hammer aus der Hand fällt, stürzt wenigstens nicht gleich der Dax ab.

Er will aus Fehlern lernen. Das hat Seibert zu Beginn seiner Amtszeit vor 100 Tagen gesagt. Und dass er Fehler machen würde, das war vorherzusehen.

Er war bis dahin Fernsehjournalist und Moderator mit Sitz in Mainz. Zur Bundespolitik unterhielt er lediglich eine Fernbeziehung. Von einem Tag auf den anderen ist er mittendrin. Staatssekretär, Regierungssprecher, Chef des Bundespresseamtes mit 500 Mitarbeitern und Merkel-Vertrauter. Wer diesen Sprung geräuschlos macht, der muss ein Übermensch sein.

Ausuferndes Mitgefühl kann Seibert dennoch nicht erwarten. Dafür hat er sich inzwischen wohl ein paar Patzer zuviel erlaubt. Zuletzt brachte er diese Woche mit einer unbedachten Äußerung den Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, gegen sich auf. Der schien ohnehin nur auf eine Gelegenheit gewartet zu haben, um Merkel einen mitgeben zu können. Die Zeiten, in denen sie ihm das Kanzleramt für halbprivate Geburtstagsessen zur Verfügung stellte, sind vorbei.

Der Kardinalfehler des Sprechers

Es geht um die Irland-Krise. Seibert behauptet etwas, was er offenbar nicht sicher weiß - der Kardinalfehler eines jeden Pressesprechers. "Die Bundesregierung weiß, dass deutsche Banken - allen zuvorderst, glaube ich, die Deutsche Bank - im Rahmen der irischen Schuldenproblematik erheblich belastet sind", sagte Seibert in der Bundespressekonferenz. Umgehend gibt der Börsenkurs der Deutsche Bank-Aktie nach.

Ackermann bringt das derart auf die Palme, dass er sofort bei Seibert intervenieren lässt. Seibert muss einen "Nachtrag" zur Pressekonferenz verschicken, in dem es heißt: "Eine besondere Erwähnung der Deutschen Bank oder anderer Institute in diesem Zusammenhang in der heutigen Regierungspressekonferenz war nicht beabsichtigt."

Weil das der Deutschen Bank immer noch nicht deutlich genug ist, schickt Seibert kurz danach eine zweite Mail: "Im Zusammenhang mit dem irischen Antrag auf Hilfe aus dem Euro-Rettungsschirm hat die Deutsche Bank der Bundesregierung am Nachmittag mitgeteilt, dass ihr gesamtes Risiko gegenüber dem Staat Irland und irischen Banken per Ende Oktober 2010 netto weniger als 400 Millionen Euro betragen habe und die Deutsche Bank damit von den Schuldenproblemen Irlands nicht in herausgehobener Weise betroffen sei."

Ackermann beruhigt auch das nicht. Er lässt selbst eine Pressemitteilung versenden, in der die Bank die "öffentlichen Mutmaßungen des Sprechers der Bundesregierung in aller Form als falsch und rufschädigend" zurückweist.

Derart brüsk wurde lange kein Regierungssprecher mehr von einem Manager zurechtgewiesen. Seibert, der Regierungsversprecher.

Einen Monat zuvor hatte es Ärger mit Außenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle gegeben. Was zugegebenermaßen nicht besonders schwer ist, wenn sich Westerwelle nicht beachtet genug fühlt.

Im Kabinett war es um den von Kanzlerin Merkel mit Frankreich ausgehandelten Kompromiss zur Reform des europäischen Stabilitätspaktes gegangen. In der Bundespressekonferenz wird Seibert hernach gefragt, ob namentlich von FDP-Mitgliedern im Kabinett irgendeine kritische Äußerung dazu zu vernehmen gewesen sei.

Seibert sagt, er habe "Worte, Gestik und Mimik gut im Blick, und da gab es nichts. Das Kabinett steht in dieser Sache in einer Linie".

Dem ist mitnichten so. Westerwelle hat Merkel den im Kompromiss festgelegten Verzicht auf automatische Sanktionen erkennbar übel genommen. Dem FDP-Chef ist überdies durchaus daran gelegen, dass dies einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird. Er teilt das Seibert dann in einem nicht ganz sanften Telefongespräch auch mit. Seibert erklärt sein Bedauern.

Entwaffnend offen

Später geht das Gerücht um, Seibert habe sich bei Westerwelle entschuldigt. Erstaunlicherweise dementiert der oberste Pressesprecher der Regierung umgehend. "Ich habe mich nicht entschuldigt." Dafür hätte es ja eine Schuld gegeben haben müssen. Die habe es aber nicht gegeben. Dass er damit mal eben den Außenminister desavouiert, scheint ihm nicht einzufallen.

Unglücklich wirkt er auch, als er in der mittäglichen Bundespressekonferenz auf die Kritik von Bundestagspräsident Norbert Lammert an Angela Merkel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angesprochen wird. Seibert bekennt, er habe das Blatt noch nicht gelesen. Das ist entwaffnend offen für den Mann, der im besten Fall wissen sollte, was in den Zeitungen steht, bevor sie gedruckt werden.

Irritierend auch seine Äußerungen zum Geschachere um die geplante Übernahme von Hochtief durch das spanische Unternehmen ACS. Hochtief sei ein wichtiges Unternehmen der deutschen Bauindustrie, sagte Seibert. Es sei ein "Aushängeschild deutscher Technologiekompetenz". Und: "Schon deshalb ist die Bundesregierung und ist das Kanzleramt daran interessiert, dass die industriellen Strukturen von Hochtief und auch der Sitz von Hochtief in Essen bleiben."

Selbst für Nicht-Sprachanalytiker klang das so, als wolle die Bundesregierung womöglich aktiv Hochtief vor der Übernahme schützen - offenbar aber nicht für den Monteur Seibert. Es dauerte eine Woche, bis dieser klarstellte, dass die Bundesregierung diese Absicht nicht habe.

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