Regierungspläne:Lösung in Trippelschritten

Millionen alter Dieselmotoren ließen sich nachrüsten, doch das will weder die Industrie noch der Staat bezahlen. Welche Möglichkeiten es nun für die Politik gibt.

Von Markus Balser, Thomas Fromm und Max Hägler

Bundesverkehrsminister Scheuer beim KBA

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will die Klimaziele einhalten. Aber wie, das sagt er nicht.

(Foto: Carsten Rehder/dpa)

Es ist Bewegung in die Debatte um Diesel-Abgase gekommen. Bislang galt die Ansage des Bundesverkehrsministeriums: Keine aufwendigen Nachrüstungen älterer Autos, wie sie etwa das Umweltbundesamt, der ADAC, aber auch der Städtetag seit Langem fordern. Nun sagt Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU): Man müsse jetzt "in alle Richtungen nachdenken", um Fahrverbote für Dieselautos abzuwenden. Ein Überblick.

Werden viele alte Dieselautos nun nachgerüstet?

Das ist auch wenige Tage vor der Vorstellung des geplanten Konzepts offen. Konsens ist in der Bundesregierung die Einschätzung, dass sich die gut drei Millionen Euro-4-Fahrzeuge nicht zu vertretbaren Kosten nachrüsten lassen. Gestritten wird darüber, ob die neueren Euro-5-Fahrzeuge in die Werkstätten sollen. Sie machen den größten Teil der Diesel-Flotte aus. Mindestens zwei Millionen Autos kämen für eine Umrüstung infrage. Gestritten wird vor allem darüber, wer die Kosten trägt.

Warum kommt gerade jetzt das Thema wieder auf?

Der Druck auf die Regierung war gewachsen, weil Anfang September Richter auch Frankfurt dazu verdonnert hatten, ein Fahrverbot einzuführen. Zudem hatten Richter in München bayerischen Landespolitikern mit Erzwingungshaft gedroht, sollten sie entsprechende Urteile nicht umsetzen. Wegen der bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern geht es mit dem angekündigten Konzept auch um politische Schadensbegrenzung. Die Sachlage sei dieselbe, aber die politische Bewertung nun eben eine andere, heißt es dazu aus der Industrie.

Welche Angebote könnten die Autohersteller machen?

Die Hersteller könnten nach wie vor Nachrüstungen mit sogenannten SCR-Katalysatoren anbieten, um die Emissionen von Stickoxiden zu senken. Eine solche Lösung haben die Dieselbauer bislang jedoch erfolgreich abgewehrt - vor allem wegen der Kosten, die sie scheuen. Fraglich ist auch, wer die Gewährleistung übernimmt, wenn bei einem nachgerüsteten Wagen etwas am Motor kaputt gehen sollte. Die Hersteller wollen dieses Risiko nicht übernehmen, da keine Langzeittests vorlägen. Zwei bis drei Jahre bräuchte man dafür, heißt es von den deutschen Herstellern, und jedes Mal, wenn sie das Argument anführen, ist wieder Zeit ungenutzt verstrichen. Verkehrsminister Scheuer zufolge käme eine Umrüstung für die Dieselautos mit der Euro-4-Norm ohnehin nicht infrage; von den mehr als fünf Millionen Euro-5-Autos hätten lediglich zwei Millionen den notwendigen Platz für zusätzliche Bauteile. Im Gespräch sind nun laut Scheuer "attraktive Umstiegsprämien". Diese könnten so aussehen: Die Kunden kaufen einen Neuwagen, während der Hersteller ihren alten Diesel in Zahlung nimmt - und die Wagen ins Ausland verkauft, wo weniger strenge Grenzwerte gelten. Die Idee dahinter: Wenn man schon Geld in die Hand nehmen muss, dann wenigstens zur Absatzförderung eines Neufahrzeuges; das sieht hübscher aus in den Jahresbilanzen. Über die genauen Konditionen einer solchen Diesel-Abwrackprämie ist jedoch noch nicht entschieden worden. Gesprächsbereiter geben sich die Hersteller übrigens bei Nachrüstungen für größere Fahrzeuge, etwa Stadtbusse. Hier könnte es vielleicht Lösungen geben.

Welche Druckmittel hat die Bundesregierung, dies durchzusetzen?

Nach Angaben aus Regierungskreisen verhandelt Scheuer derzeit bereits hart mit der Industrie. Ihm bleiben einige Druckmittel. Noch immer hätte die Verwaltung die Möglichkeit, bei Manipulationen ein Ordnungsgeld von 5000 Euro je Fahrzeug zu verhängen. Das würde die Branche bei Millionen Autos hart treffen. Zudem ist die Autoindustrie darauf angewiesen, dass die Bundesregierung ihre Position in Brüssel unterstützt, bei neuen Klimaschutzgrenzwerten für Autos nicht zu viel zu verlangen. Nach Angaben aus Regierungskreisen sieht man jedoch keine Möglichkeit, die Industrie zur Kostenübernahme zu zwingen. Dabei gebe es große rechtliche Unsicherheit, heißt es.

Was haben die bisherigen Programme wie Kaufprämien und Software-Nachrüstung bewirkt?

Bis jetzt sind 3,2 Millionen Dieselwagen mit einer neuen Software ausgerüstet worden, die den Verbrennungsvorgang und die Abgasreinigung optimiert. Von Sommer 2017 an wurden auch erste "Umweltprämien" angeboten, bei denen die Hersteller Rabatte für neue Autos gewährten; am deutlichsten Volkswagen, wo Kunden bis zu 10 000 Euro sparen konnten. Einige Zehntausend emissionsärmere Autos zusätzlich - im Vergleich zu älteren Modellen - hätten die Hersteller so verkauft, heißt es in der Branche. Insgesamt ist aber kein ganz großer Effekt erzielt worden, da die "Prämien" der meisten Hersteller nach Ansicht von Verbraucherschützern zu gering waren. Das sieht Minister Scheuer ähnlich.

Wie teuer wären Nachrüstungen an den Motoren?

Je nach Berechnung müssten die Hersteller etwa 1500 bis 3000 Euro pro nachgerüstetem Auto zahlen, wobei das nicht überall möglich ist. Insgesamt kämen auf die Hersteller also Milliardenkosten zu - ein Vielfaches der stattdessen durchgeführten Software-Updates. Allerdings: Dem stehen auch Milliardengewinne der Konzerne in den vergangenen Jahren gegenüber - die nicht zuletzt mit Dieselfahrzeugen der Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 erzielt wurden.

Ist die Schadstoffbelastung durch Autoabgase tatsächlich schon deutlich zurückgegangen, wie Scheuer nun sagt?

Es hat sich was getan auf den Straßen und in der Luft: Neue Software in älteren Wagen verringert den Stickoxid-Ausstoß um jeweils etwa 20 Prozent. Zugleich werden deutlich weniger Dieselautos verkauft als früher, ob mit oder ohne Prämie. In einigen Städten ist zuletzt die Geschwindigkeit auf stark belasteten Straßen stärker begrenzt worden, und es wurden neue Busse angeschafft. Der Effekt all dieser Maßnahmen ist messbar, zumindest an den offiziellen Messstellen: Im Jahr 2016 überschritten noch 90 Städte den Stickoxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm NOx pro Kubikmeter Luft, im Jahr 2017 waren es 65 Städte; ein Rückgang von durchschnittlich zwei Mikrogramm. Die Liste der schlechten Luft führt derzeit München vor Stuttgart und Köln. Je nach Ansicht sind es nur noch 65 Städte, oder immer noch so viele.

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