Regierungspläne:Bundeswehr soll in den Norden Afghanistans

Lesezeit: 1 min

Die Bundesregierung wird ihr Engagement zur Stabilisierung Afghanistans ausweiten. Bundeswehrsoldaten werden voraussichtlich in die etwa 200 Kilometer nördlich von Kabul gelegene Stadt Kundus entsandt und lösen dort ein US-Aufbauteam ab.

(SZ vom 9./10.08.2003) Dafür wird der Einsatz von zusätzlich maximal 1000 Soldaten erwogen. Darauf haben sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung das Kanzleramt und die beteiligten Ministerien geeinigt. Die endgültige Entscheidung dürfte nach dem Besuch von Verteidigungsminister Peter Struck in Kabul am kommenden Montag fallen.

Die Entscheidung für Kundus beendet einen regierungsinternen Streit um den geeigneten Ort für eine Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes. Ende Juni war ein deutsches Erkundungsteam mit militärischen und zivilen Experten aus Afghanistan zurückgekehrt.

Struck wollte anderen Einsatzort

Dieses Team hatte Einsatzmöglichkeiten in den Städten Herat im Westen des Landes, Ghazni, südlich von Kabul, sowie Charikar nördlich der Hauptstadt geprüft. Im Verteidigungsministerium wurde Ghazni als zu gefährlich und Herat als zu weit von Kabul entfernt erachtet.

Im Ministerium von Struck wurde deshalb Charikar favorisiert, auch weil dort eine schnelle Anbindung an die bereits in Kabul stationierten Isaf-Kräfte der Bundeswehr möglich gewesen wäre. Im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt wurde ein Einsatz in Charikar dagegen wegen der weitgehend stabilisierten Lage in der Stadt als wenig zielführend bewertet.

Auch Niederländer und Schweden beteiligt

Statt dieser ursprünglich erwogenen Städte entschied man sich jetzt für Kundus, weil dort bereits ein amerikanisches Wiederaufbauteam stationiert ist. Dieses soll die Bundeswehr voraussichtlich mit Einheiten aus den Niederlanden und Schweden ablösen und dabei von dessen Erfahrungen profitieren.

Politisch ausschlaggebend war zudem der Umstand, dass die Region Kundus unter dem Einfluss des amtierenden Verteidigungsministers Fahim aus der Übergangsregierung von Präsident Hamid Karsai steht.

Gefangenenrevolte endete in einem Massaker

Allerdings ist Kundus mit knapp 60.000 Einwohnern als paschtunische Enklave, umringt von tadschikischen und usbekischen Milizen, auch kein ungefährlicher Einsatzort. Hier war während des Krieges im November 2001 die letzte große Schlacht im Norden Afghanistans geschlagen worden.

Tausende Taliban und ausländische Kämpfer hatten sich nach heftigem Luftbombardement der Nordallianz ergeben. Nach dem Abtransport in ein Gefangenenlager des Usbeken-Generals Rashid Dostum kam es im Anschluss an eine Gefangenenrevolte zu einem Massaker an den Häftlingen.

Bundestagsmandat erforderlich

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte US-Außenminister Colin Powell bei dessen Berlin-Besuch im Mai zugesagt, eine Ausweitung des Engagements zu prüfen.

Nach dem Attentat auf einen Bundeswehr-Konvoi in Kabul, bei dem vier deutsche Soldaten ums Leben kamen, waren diese Planungen ins Stocken geraten. Für den jetzt geplanten Einsatz in Kundus ist ein neues Mandat des Bundestages erforderlich.

(sueddeutsche.de)

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: