Süddeutsche Zeitung

Regierungskrise in Italien:"Götterdämmerung" für Berlusconi

Für Italiens Ministerpräsident Berlusconi wird es immer enger. Die Opposition bringt einen Misstrauensantrag ein, vier Regierungsmitglieder kündigen ihren Rücktritt an.

Malte Conradi

Nur wenige Stunden zuvor hatte der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi wiederholt, was er seit Jahren erfolgreich praktiziert, egal ob es sich um Regierungskrisen, verbale Fehltritte oder intime Details über seinen Umgang mit jungen Damen handelt: Er spielte die Sache betont selbstbewusst herunter und sprach von "ein paar Problemen in der Heimat". Am Freitagvormittag dann erfuhr Berlusconi aus dem Fernsehen, dass die Probleme diesmal etwas ernster werden und ihn sein Amt kosten könnten.

"Es ist entschieden", sagte da Italo Bocchino, Fraktionschef der neu gegründeten Partei Zukunft und Freiheit für Italien (Futuro e Libertà per l'Italia, FLI). Der FLI-Parteichef und Parlamentspräsident Gianfranco Fini habe vier ihm nahestehende Regierungsmitglieder zum Rücktritt aus dem Berlusconi-Kabinett bewegt. Der Ministerpräsident werde die Rücktrittsgesuche am Montag auf seinem Schreibtisch vorfinden, so Bocchino in der Fernsehsendung.

Nur wenige Stunden später brachte die größte Oppositionspartei Partito Democratico (PD) einen Misstrauensantrag im Parlament ein. Ein Datum für das Votum steht noch nicht fest.

Sollten die vier Kabinettsmitglieder ihre Rücktrittsankündigung wahrmachen, hätte Berlusconi im Parlament keine Mehrheit mehr. Würde er die Vertrauensabstimmung tatsächlich verlieren, gäbe es Neuwahlen.

Parteichef Fini hatte seinen langjährigen Mentor Berlusconi bereits am Sonntag zum Rücktritt aufgefordert und andernfalls mit dem Rückzug der vier Politiker gedroht. Berlusconi ließ hingegen mitteilen, er werde keinesfalls zurücktreten. Nur ein Misstrauensvotum im Parlament mit anschließenden Neuwahlen könne ihn aus dem Amt entfernen.

Dem jetzigen Schritt Finis ging ein wochenlanger Streit voraus, den italienische Medien als "Götterdämmerung" und "Untergang der Titanic" bezeichneten. Der Machtkampf zwischen Fini und Berlusconi spitzte sich erstmals zu, als der Regierungschef seinen Ziehsohn im Sommer aus der Regierungspartei Volk der Freiheit (Popolo della Libertà, PDL) warf. Fini gründete daraufhin die FLI und scharte immer mehr Unterstützer um sich.

Als Berlusconi Finis erster Rücktrittforderung nicht nachkam, holte der zum ersten Schlag aus: Anfang der Woche stimmten die 37 Abgeordneten der von Berlusconis PDL abgespaltenen FLI mit der Opposition und fügten der Regierung eine Abstimmungsniederlage zu. Dabei ging es um Anträge von Oppositionsparteien zur Immigrationspolitik und um die Beziehungen zu Libyen.

Fini demonstrierte damit erstmals, dass Berlusconis Koalition aus PDL und Lega Nord über keine verlässliche Mehrheit im Parlament mehr verfügen. Der Regierungschef klagte zwar über den "Verrat", weigerte sich aber weiterhin, sein Amt zu verlassen. Stattdessen beauftragte er den Parteichef der Lega Nord, Umberto Bossi, mit Fini über eine Lösung der Krise zu verhandeln.

Die Gespräche scheinen nun gescheitert zu sein. Fini soll sich gegen den Vorschlag Bossis gewandt haben, unter der Führung Berlusconis im Parlament nach einer Mehrheit für eine neue Regierung zu suchen.

Zuletzt hatte sich Staatspräsident Napolitano gegen Neuwahlen ausgesprochen, da wichtige Abstimmungen im Parlament anstehen und die Wahlen frühestens im März stattfinden könnten. Wenigstens bis zur Verabschiedung des Haushalts für 2011 solle die Regierung noch im Amt bleiben, forderte Napolitano.

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