Regierungskrise in Italien:Berlusconi verliert seine Schönste

Das sechste Kabinettsmitglied kündigt Berlusconi die Treue: Mit einer großen Schlammschlacht verabschiedet sich die Gleichstellungsministerin Mara "La Bella" Carfagna aus der Politik. Der Ministerpräsident hatte das Ex-Showgirl gefördert.

Lena Jakat

Mara Carfagna hatte es geschafft: Vom Aktmodell galang ihr der Sprung in Silvio Berlusconis Regierung, und zuletzt schaffte sie es sogar, nicht mehr allein auf diese Tatsache reduziert zu werden. In einem Interview mit der neapolitanischen Tageszeitung Il Mattino gab die 34-Jährige ihren Rücktritt bekannt. Die italienische Regierung erfährt mit Carfagnas Ankündigung einen zusätzlichen Rückschlag. Allerdings wäre es nicht die italienische Politik, würde nicht auch Carfagnas Rückzug von üppigen Intrigen, Gerüchten und Spekulationen begleitet.

Regierungskrise Italien: Ministerin kündigt Rücktritt an

Die "schönste Ministerin der Welt" schaffte es bei den italienischen Misswahlen einst nur auf Platz sechs - ihr Jura-Examen bestand sie mit Prädikat.

(Foto: dpa)

Für viele italienische Mädchen war Mara Carfagnas Karriere eine aus dem Bilderbuch: Nach einem verpassten Miss-Italia-Titel 1997 avancierte die Schöne aus Salerno zur TV-Tänzerin. Italiens TV-Landschaft beherrschen ganze Geschwader halbnackter Tänzerinnen. Alljährlich bewerben sich mehr als 5000 junge Italienerinnen, in der satirischen Sendung Striscia la notizia leichtbekleidet auf den Tischen der zwei Moderatoren tanzen zu dürfen.

Veline heißen diese jungen Showgirls, die Berlusconis glitzerndes Medienreich bevölkern - der gleiche Begriff bezeichnet transparentes Papier. Ihre Karrieren gelten als Sprungbrett überall hin - bis in die hohe Politik. Mara Carfagna war eine Velina, und sie hat es geschafft: Dank ihrer medialen Präsenz in Fernsehsendungen, bei Miss-Wahlen und auf jenen Kalenderblättern, die an der Innenseite von Spindtüren kleben, wurde der Cavaliere höchstselbst auf die 34-Jährige aufmerksam.

Vor sechs Jahren stieß sie zu seiner Partei Forza Italia, zwei Jahre später saß sie bereits im Abgeordnetenhaus und wieder zwei Jahre später holte sie der alte neue Ministerpräsident Italiens in sein drittes Kabinett - als Gleichstellungsministerin. Ein Aktmodell als politischer Arm der Emanzipationsbewegung? Ein Affront für die Opposition und die bürgerliche Rechte. Den Unmut über Carfagnas Berufung bekam Berlusconi nicht nur im Job zu spüren: Auch seine damalige Noch-Ehefrau Veronica Lario war nicht gut auf die "schönste Ministerin der Welt", zu der sie die Bild-Zeitung deklarierte, zu sprechen: Berlusconi hatte Carfagna 2007 gesäuselt, wäre er nicht verheiratet, er würde sie sofort zur Frau nehmen. Seine Gattin forderte in der Tageszeitung La Reppublica öffentlich eine Entschuldigung. Die folgte zwar prompt, hielt den Regierungschef allerdings nicht davon ab, Carfagna ein Jahr später zu seiner Ministerin zu machen.

Schmückendes Beiwerk

Berlusconi sei es leid, nur mit seinen optisch durchschnittlichen männlichen Kabinettskollegen fotografiert zu werden, rumorte es damals in Rom. Allein deswegen habe er Mara la Bella zur Ministerin gemacht. Zu Beginn ihrer Amtzeit schien es auch ganz so, als würde sie den Unkenrufen der Intellektuellen und Oppositionellen gerecht werden. Carfagna blieb es überlassen, während des G-8-Gipfels 2009 die Gattinnen der Regierungschefs durch Roms Boutiquen zu geleiten. Carla Bruni fehlte. Zuvor hatten italienische Wissenschaftler die Ehefrauen der Politiker zum Boykott der Konferenz aufgerufen, da Berlusconis Balzgehabe wieder einmal alle Politik von der Tagesordnung verdrängt hatte. Berlusconi stellte sie auch zur Betreuung des libyschen Diktators Muammar el Gaddafi ab, als dieser sich beim Staatsbesuch im August 2010 Hostessen zur Koran-Plauderstunde lud.

Auch politisch fiel Carfagna zunächst mit Äußerungen auf, die politisch Meilen rechts von jenen feminismuskritischen Anmerkungen anzusiedeln sind, mit denen Familienministerin Kristina Schröder kürzlich in Ungnade fiel: Carfagna forderte einen besonderen Schutz für die traditionelle Familie. Homosexuelle Partnerschaften bezeichnete sie als sozial gefährlich und empfahl Schwulen und Lesben, "nicht zu exhibitionistisch aufzutreten". Castagna selbst ist geschieden. Ganz auf einer Linie mit dem Vatikan lag sie mit ihrem Vorschlag zum Verbot von Straßenprostitution. Freier wie Prostituierte wollte Carfagna mit drakonischen Strafen belegen. Das Gesetz solle "der Vermarktung des weiblichen Körpers ein Ende setzen", sagte die Schwester eines Schönheitschirurgen.

Auch sprach sie sich gegen die sogenannten rosa Quoten für Frauen in der Politik aus, für die ihre Vorvorgängerin Stefania Prestigiacomo noch entschlossen gekämpft hatte. "Ich bin selber das beste Beispiel dafür, dass sie nicht nötig sind", gab die Gleichstellungsministerin zu Protokoll. Nirgendwo in Europa ist die Politik derart männlich geprägt wie in Italien: Nur 192 von 952 Abgeordneten und Senatoren im Parlament sind Frauen. Als im vergangenen Oktober 100.000 Frauen um die Oppositionspolitikerin Rosy Bindi eine Petition gegen ihren chauvinistischen Regierungschef unterzeichneten, glänzte Carfagna durch Schweigen.

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