Regierungskrise in Israel:Kabinett verweigert Scharon die Gefolgschaft

Der Premierminister verschiebt Abstimmung über Rückzugsplan und Räumung jüdischer Siedlungen im Gaza-Streifen. Eine Mehrheit im Parlament gilt als ungewiss.

Mangels Mehrheiten für seinen Rückzugsplan aus dem Gazastreifen hat der israelische Regierungschef Ariel Scharon eine geplante Abstimmung im Kabinett und eine für Montag angesetzte Debatte im Parlament über das Vorhaben verschoben. Scharon habe um den Aufschub gebeten, weil sich in der Knesset keine Mehrheit für den Plan abzeichne, berichtete der israelische Rundfunk am Montag.

Bereits am Vortag hatte der Regierungschef die entscheidende Abstimmung im Kabinett vertagt; zwölf von 23 Ministern lehnen seinen Plan derzeit ab. Wie am Montagabend aus Scharons Büro verlautete, unterstützt der Ägyptens Präsident Husni Mubarak den Rückzugsplan.

Parlamentspräsident Ruben Rivlin setzte als neuen Termin für die Parlamentsdebatte den 8. Juni fest und begründete dies it "Verpflichtungen" Scharons am Abend, die ihn daran gehindert hätten, der Sitzung zu folgen.

Unabhängig von der Verschiebung sollte die Knesset am Montag über Misstrauensanträge der oppositionellen Arbeitspartei und der religiösen Schas-Partei gegen Scharon beraten. Da sie sich jedoch nicht gegen den Rückzugsplan richteten, dürften sie für Scharon keine Gefahr darstellen.

Ans politsche Schicksal verknüpft

Der israelische Premier hat den Plan eng mit seinem politische Überleben verknüpft. Seit der Niederlage bei einer parteiinternen Abstimmung Anfang Mai laviert er zwischen den Fronten. Noch am Freitag hatte Scharon verlauten lassen, er werde seinen Plan für einen stufenweisen Rückzug aus dem Gazastreifen und den vollständigen Abbau der jüdischen Siedlungen ohne Einschränkungen zur Abstimmung stellen.

Nach der Verschiebung des Kabinettsvotums kündigte er an, die "Diskussion" über das Vorhaben werde fortgesetzt. Scharon erwägt offenbar, sich die Mehrheit im Kabinett notfalls durch die Entlassung von Ministern zu verschaffen. Auch eine Regierungsumbildung unter Einbeziehung der oppositionellen Arbeitspartei gilt als möglich. Sollte der Plan scheitern, könnte Scharon vorzeitige Neuwahlen ausrufen.

Justizminister Josef Lapid versuchte am Montag in dem Streit zwischen Scharon und dessen Gegenspieler, Finanzminister Benjamin Netanjahu, zu vermitteln. Berater Lapids sagten, der Schinui-Politiker bemühe sich um einen Kompromiss zwischen den beiden Spitzenpolitikern des rechtskonservativen Likud.

Arafat will Scharon treffen

Netanjahu lehnt den von den USA unterstützten Rückzug ab. Ein Vertrauter Scharons sagte, dieser habe den Vorschlag Lapids grundsätzlich abgelehnt. Er sah vor, das Kabinett zunächst nur über die Räumung von drei Siedlungen abstimmen zu lassen. Den Rückzugsplan sollte es lediglich zu Kenntnis nehmen.

Unterdessen schlug Palästinenserführer Jassir Arafat Scharon ein Treffen vor. Wenn Scharon nicht mit ihm reden wolle, sei auch ein Treffen mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Achmed Kurei möglich. Die Gewalt im Nahen Osten dauerte am Pfingstwochenende an.

Israelische Kampfhubschrauber griffen in der Nacht zum Sonntag Ziele in Gaza an. Sie feuerten auf das Motorrad zweier Anführer der Hamas und töteten die Männer, wie palästinensische Sicherheitskräfte mitteilten. Ein weiterer Hamas-Kämpfer sei beim Beschuss seines Hauses getötet worden.

(sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP)

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