Regierungskrise in den Niederlanden:Neuwahlen im September

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Nach der zerbrochenen Minderheitsregierung in den Niederlanden hat sich die Zweite Kammer auf ein Datum für Neuwahlen einigen können. Jetzt muss die Interimregierung noch ein Sparprogramm stemmen: Bis Ende April will Brüssel Vorschläge zur Minimierung des Staatsdefizites vorliegen haben.

Mirjam Moll

Die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments hat sich offenbar auf Neuwahlen einigen können.

Der niederländische Premierminister Mark Rutte auf dem Weg zu Königin Beatrix. Nach gescheiterten Verhandlungen über dringend notwendige Sparmaßnahmen will Rutte seinen Rücktritt anbieten. (Foto: dpa)

Die niederländische Minderheitsregierung war zerbrochen, nachdem Verhandlungen über Sparmaßnahmen am Wochenende geplatzt waren. Daraufhin hatte Ministerpräsident Mark Rutte Königin Beatrix seinen Rücktritt angeboten. Die Königin nahm Ruttes Rücktrittsgesuch an, bat ihn aber, die Regierungsgeschäfte übergangsweise weiterzuführen. Die Neuwahlen werden sehr wahrscheinlich erst im September stattfinden.

Die Minderheitsregierung aus Christ-Demokraten (CDA) und Ruttes Rechts-Liberalen (VVD) war seit dem Wochenende nicht mehr regierungsfähig: Ohne die politische Duldung durch die Freiheitspartei (PVV) unter Geert Wilders hatte die Koalition keine Mehrheit im Parlament. Wilders hatte am Wochenende Verhandlungen über dringend notwendige Sparmaßnahmen plötzlich verlassen: Er sei nicht bereit, das "Brüssler Spardiktat" auf Kosten der Rentenzahlungen durchzusetzen.

Bis es jedoch zu Neuwahlen kommen kann, muss eine Übergangslösung her. Unterhausvorsitzende Gerdie Verbeet sagte, dass "jeder so seine eigenen Vorstellungen" darüber habe, was geschehen soll. Finanzminister De Jager gibt sich jedoch zuversichtlich: "Wir werden mit der Zweiten Kammer über das weitere Vorgehen sprechen und ich gehe davon aus, dass wir für die geplanten Maßnahmen Mehrheiten finden werden."

Welche Parteien bereit sind, die Christdemokraten und die Rechtsliberalen bei den notwendigen Sparmaßnahmen zu unterstützen, wird sich offenbar in den nächsten Tagen abzeichnen. Alexander Pechtold, Chef der Linksliberalen (D66), kündigte bereits an, einige Punkte des Sparprogramms unterstützen zu wollen. So könne er sich vorstellen, die Beamtengehälter einzufrieren und die Mehrwertsteuer von 19 auf 21 Prozent zu erhöhen. Damit können 8,8 Milliarden Euro gespart werden. Insgesamt müssen aber Einsparungen von mindestens 14,2 Milliarden erreicht werden. Das Sparpaket der VVD und CDA sah vor, 16 Millionen einzusparen.

Auch wenn sich doch noch eine Mehrheit für die Sparmaßnahmen finden sollte: Neuwahlen sind unumgänglich - darüber sind sich die Parteien einig. Die Christ-Demokraten müssen daher so schnell wie möglich einen neuen Parteichef ernennen. Sollte es zu Neuwahlen kommen, braucht die Partei ein neues Gesicht als Spitzenkandidat. Derzeit gilt der Fraktionsvorsitzende Van Haersma Buma als aussichtsreichster Kandidat. Bei den Rechtsliberalen wurde Rutte als Spitzenkandidat für die Neuwahlen bestätigt.

Vor allem Geert Wilders plädierte für einen späten Termin der Neuwahlen, um sich auf den Wahlkampf vorbereiten zu können. Mittlerweile gilt es als sicher, dass die Neuwahlen im September stattfinden werden. Königin Beatrix muss das Datum mit ihrer Unterschrift bestätigen.

Vorschläge zur Senkung des Defizits

Wichtiger als die Neuwahlen zu terminieren ist es allerdings, die geplanten Sparmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Momentan beträgt das niederländische Staatsdefizit 4,7 Prozent. Die von der EU festgesetzte Höchstgrenze liegt aber bei drei Prozent. Bis zum 30. April muss das Land Brüssel Vorschläge zur Senkung des Defizits vorlegen können.

Damit wollte die Regierung auch die bisherige Topbewertung "AAA" bei den Ratingagenturen sichern. Schon am Montag reagierten die Aktienmärkte weltweit mit Verlusten. Vergangene Woche gab es Befürchtungen, dass die Niederlande ihre Bestnote verlieren könnten. Damit hätten nur noch Deutschland, Finnland und Luxemburg die Bestnote. Die Rating-Agentur Moody's glaubt aber weiterhin an eine stabile Finanzlage trotz der Regierungskrise und lässt den Niederlanden das Triple-A.

Umfragen zufolge hält eine große Mehrheit der Niederländer die Sparforderungen der EU für übertrieben. Besonders die geplante Einführung einer Rezeptgebühr und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer stoßen auf Ablehnung. Auch das Rentenalter soll angehoben werden. Damit könnte sich die scheidende Regierungskoaltion bei Neuwahlen unbeliebt machen. Von diesem Trend könnten die Sozialisten (SP) in der Opposition profitieren

Das Kabinett von Rutte war gerade einmal 558 Tage im Amt. Seit dem zweiten Weltkrieg gab es nur drei von insgesamt 27 Regierungskoalitionen mit kürzerem Bestand. Erst nach zähen monatelangen Verhandlungen hatten sich die VVD mit der CDA auf einen Koaltionsvertrag einigen könnten. Mit der Unterstützung der PVV kam die Minderheitskoalition aber gerade einmal auf eine Stimme mehr gegenüber der Opposition - eine zu verführerische Situation für einen Populisten wie Wilders.

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