Süddeutsche Zeitung

Regierungserklärung des Außenministers:Westerwelle legt Wachstumsplan für Europa vor

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Guido Westwerwelle findet, die Regierung habe alles richtig gemacht: In seiner Regierungserklärung lobt der Außenminister die schwarz-gelbe Koalition für ihren Umgang mit der Krise und präsentiert einen Wachstumsplan für Europa. Die Opposition hält sein Konzept lediglich für "Stanzen".

Antonie Rietzschel

Erst gratuliert Guido Westerwelle dem Sozialisten François Hollande zum Wahlsieg in Frankreich. Dann wendet sich der FDP-Politiker mit leicht hämischem Unterton an die Opposition: "Jetzt bin ich aber gespannt." Gespannt ist er auf die Reaktion der SPD. Und tatsächlich: Ob er will oder nicht, sogar der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil muss da klatschen.

Doch mit der freundlichen Stimmung ist es schnell vorbei, als Westerwelle sich beim abgewählten Nicolas Sarkozy für die bisherige Zusammenarbeit bedankt. Sofort ruft die SPD-Fraktion empört dazwischen. Westerwelle legt mit süffisantem Lächeln nach: "Jetzt fehlt aber der Applaus, Genossen." Dabei solle die europäische Zusammenarbeit doch frei von nationalstaatlichen Parteieninteressen sein, erklärt er. Und scheint die SPD so daran erinnern zu wollen, dass die Debatte um die Strategie gegen die Euro-Krise im Bundestag, trotz Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen, keine Wahlkampfveranstaltung ist.

Immer wieder Seitenhiebe auf die SPD

Guido Westerwelle selbst nutzt allerdings die Gelegenheit, in seiner Regierungserklärung mit dem Titel "Europas Weg aus der Krise" auf den Erfolg von Schwarz-Gelb aufmerksam zu machen: Die Koalition habe nicht, wie von der Opposition gefordert, Schulden gemacht, um dadurch Wachstum zu erreichen. Deutschland sei heute wieder global wettbewerbsfähig. Das sei unter anderem der christlich-liberalen Koalition zuzuschreiben, sagt der FDP-Politiker. "Selbstbeweihräucherung", ruft Markus Heil dazwischen, der besonders auf Krawall gebürstet scheint.

Dessen Gegrummel ist auch zu hören, als der Außenminister das strikte Nein zu Nachverhandlungen über den europäischen Fiskalpakt betont: "Der Fiskalpakt ist beschlossen - und er gilt. Vereinbarungen zwischen Staaten werden durch neue Wahlen nicht ungültig." Westerwelle nimmt damit Bezug auf Forderungen, die der künftige französische Präsident François Hollande im Wahlkampf erhoben hat. Die Bundesregierung ist jedoch offen dafür, den zwischen 25 EU-Ländern ausgehandelten Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin um einen sogenannten Wachstumspakt zu ergänzen. Neue schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme lehnt Westerwelle ab.

Auch an dieser Stelle kann sich der liberale Politiker einen Seitenhieb auf die SPD nicht verkneifen. Es untergrabe die Glaubwürdigkeit Deutschlands, wenn einige Bundesländer weiter Schulden machten und planten, das auch weiterhin zu tun. Offensichtlich eine Anspielung auf Ministerpräsidentin und NRW-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft. Ihre politischen Gegner hatten Kraft im Wahlkampf immer wieder vorgeworfen, Schuldenpolitik zu betreiben.

Mehr Wachstum

Dann schwenkt der Außenminister auf das eigentliche Thema der Debatte um und stellte einen Sechs-Punkte-Plan für mehr Wachstum in Europa vor. Unter anderem müssten die Ausgaben stärker überwacht und an messbare Kriterien geknüpft werden. In einzelnen EU-Fonds stünden noch knapp 80 Milliarden Euro zur Verfügung. "Wir wollen, dass die Europäische Kommission diese Mittel nutzt und gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten jetzt schneller und wirkungsvoller in neues Wachstum durch bessere Wettbewerbsfähigkeit investiert", sagt Westerwelle

Zudem will er in Einklang mit Vorstellungen des Koalitionspartners CDU/CSU die Position der Europäischen Investitionsbank (EIB) stärken. "Wir wollen den Zugang gerade kleiner und mittelständischer Unternehmen zu Krediten verbessern und die Expertise der EIB besser nutzen", sagt er.

Viertens setzt der Minister auf den Erhalt und die Verbesserung der europäischen Infrastruktur. Europas Straßen und Schienen, die Energie- und Telekommunikationsnetze gehörten "zu den großen Trümpfen der europäischen Wirtschaft". Westerwelle spricht sich für eine Ausdehnung des Binnenmarktes "auf neue Felder" sowie den Abschluss neuer Freihandelsabkommen zwischen der EU und "den alten und neuen Kraftzentren der Welt" aus.

Als "Stanzen" bezeichnet Hubertus Heil in der anschließenden Diskussion die Regierungserklärung des Außenministers. Der SPD-Politiker wirft Guido Westerwelle vor, sich zwei Tage vor der NRW-Wahl zu äußern, um seine "Mantras" loszuwerden. Zur Ankurbelung des Wachstums sei ein europäischer "Investitions- und Aufbaufonds" erforderlich. Erneut fordert die SPD die Einführung eine Finanztransaktionssteuer und ein Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit.

Auch auf die Bundeskanzlerin geht Heil los und wirft ihr fehlenden Mut vor. Dadurch habe sie Europa Schaden zugefügt. Angela Merkel, die in diesem Moment gerade ihren Platz verlässt, dreht sich noch einmal um und wirft dem Redner einen empört-grimmigen Blick zu. Fehlt nur noch, dass sie Heil den Vogel zeigt. Erst gestern hatte sie sich selbst in einer Regierungerklärung zur europäischen Schuldenkrise geäußert. Die Botschaft: Habt Geduld - schnell kommen wir aus der Malaise nicht heraus. Doch diesmal lässt sie den Angreifer einfach stehen und geeht.

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