Regierungserklärung der Bundeskanzlerin:"Die Chancen sind so viel größer als die Risiken"

Lesezeit: 3 Min.

Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag. (Foto: Getty Images)
  • Bundeskanzlerin Merkel weist in ihrer Regierungserklärung auf die Verantwortung der EU in der Flüchtlingskrise hin, und fordert zugleich globale Maßnahmen.
  • Für die Verteilung von Flüchtlingen in der EU will sie ein "dauerhaftes Verfahren".
  • Merkel verbindet den bevorstehenden UN-Nachhaltigkeitsgipfel in New York mit dem Flüchtlingsthema. Denn auch extreme Armut oder Naturkatastrophen sind Fluchtursachen.

Von Markus C. Schulte von Drach

Zwei Gipfel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag miteinander verknüpft: Den EU-Flüchtlingsgipfel gestern in Brüssel und den bevorstehenden UN-Nachhaltigkeitsgipfel, zu dem sie heute Nacht noch nach New York fliegen wird.

Auf die EU bezogen durchaus selbstkritisch hat Merkel die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels ins Verhältnis gesetzt zu den 60 Millionen Flüchtlingen, die das UNHCR inzwischen zählt. "Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg waren so viele Menschen auf der Flucht wie heute", sagte Merkel. Um diese globale Herausforderung zu bewältigen, müsse jedes Land und jede Institution ihren Beitrag leisten bei der Bekämpfung der Fluchtursachen und der Schaffung menschenwürdiger Lebensbedingungen in Flüchtlingslagern, aber auch beim Schutz der Grenzen. So müsste an den EU-Außengrenzen besser kontrolliert und die Schleuserkriminalität eingedämmt werden.

Die Menschenrechte seien eine Gründungsidee der EU, Europa sei eine Werte-, Rechte- und Verantwortungsgemeinschaft, sagte Merkel. Dieser Anspruch müsse aber auch erfüllt werden. So gebe es Mindeststandards für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen sowie für Asylverfahren, die jedoch an den EU-Grenzen derzeit nicht überall eingehalten würden. Dabei werde der Umgang mit der aktuellen Krise den Kontinent auf lange Sicht prägen.

Es sei wichtig, dass die EU-Regierungschefs sich darauf geeinigt haben, eine Milliarde Euro in die Hilfe für Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens zu investieren. In Richtung der Flüchtlinge forderte sie, diese müssten sich integrieren, insbesondere indem sie die deutsche Sprache lernen. Darüber hinaus müssten sie die Werte und Regeln akzeptieren, die die Verfassung vorgeben.

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Umverteilung von Flüchtlingen "keine einmalige Aktion"

In einigen Ländern der EU dürfte Merkels Einschätzung der beschlossenen Umverteilung von 120 000 Flüchtlingen innerhalb der Gemeinschaft für Aufsehen sorgen: Diese ist für die Bundeskanzlerin keine "einmalige Aktion", sondern es müsse ein "dauerhaftes Verfahren" für die Verteilung von Asylsuchenden gefunden werden. "Wir haben jetzt einen ersten Schritt gesehen, aber wir sind noch lange nicht am Ende, da wo wir hinkommen müssen." Bereits gegen die am Dienstag beschlossene Umverteilung gab es Widerstand in Tschechien, der Slowakei, in Ungarn und Rumänien.

Die Flüchtlingskrise zeigt Merkel zufolge wie kein anderes Thema, wie wichtig auch die Ziele der Vereinten Nationen sind, die auf dem Nachhaltigkeitsgipfel von Freitag bis Sonntag in New York verabschiedet werden sollen. Die UN-Nachhaltigkeitsagenda könne als globaler Plan zur Verringerung von Fluchtursachen begriffen werden. Diese Fluchtursachen sind nicht nur Kriege und Bürgerkriege, sondern auch politische Verfolgung, extreme Armut, die Unterdrückung von Frauen und Naturkatastrophen.

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Auch globale Themen wie Ernährung, Bildung, Gesundheit, Menschenrechte und Gleichstellung von Frau und Mann müssten angegangen und dabei wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden. Denn neben Kriegen und Verfolgung verlassen schließlich auch unzählige Menschen ihre Heimat wegen Not und Unterdrückung. Diese Fluchtgründe müssten weltweit überwunden werden, um allen Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, betonte die Kanzlerin. Die geplante Agenda will für alle diese Missstände Lösungen entwickeln, die bis 2030 greifen sollen. Deutschland selbst, kündigte Merkel an, werde den Etat für das Entwicklungsministerium um Milliarden erhöhen.

"Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen"

Die Bundesregierung, versprach Merkel am Ende, werde in den kommenden Jahren mit aller Kraft darauf hinwirken, dass die Herausforderungen bewältigt würden. "Die Chancen sind so viel größer als die Risiken, wir müssen sie nur erkennen und auch nutzen", sagte Merkel. "Wer, wenn nicht wir, hätte die Chance dazu? Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen."

Besonders wichtig sind für die Kanzlerin der Schutz des Klimas und die nachhaltige Nutzung der Lebensgrundlagen. Schließlich seien die ökologischen Belastungsgrenzen des Planeten zum Teil bereits weit überschritten. Im Gegensatz zu den Millenniumsentwicklungszielen der UN, die bis 2015 erreicht werden sollten und zum Teil wurden, soll die neue Agenda auch Umwelt und Klima schützen.

Auch vom UN-Klimagipfel, der Ende des Jahres in Paris stattfinden wird, müsste Merkel zufolge das "klare Signal" für eine "zukünftige Dekarbonisierung" ausgehen, um die Erderwärmung zu bremsen. Dazu müssten sich alle Staaten verpflichten, entsprechende Maßnahmen anzugehen. Merkel versprach, die Anstrengungen der Regierung im Kampf gegen den Klimawandel weiter zu verstärken. Denn "auch in Deutschland sind wir an einigen Stellen noch zu weit von einem nachhaltigen Leben, Wirtschaften und Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen entfernt".

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