Süddeutsche Zeitung

Regierungsbildung:Diese Möglichkeiten gibt es jetzt

Für eine Minderheitsregierung scheint das Land nicht bereit zu sein. Neuwahlen sind schwer zu bekommen. Antworten auf wichtige Fragen.

Die FDP ist aus den Jamaika-Verhandlungen ausgestiegen. Jetzt gelten Neuwahlen als wahrscheinlich. Doch der Weg dorthin ist schwierig. Das Grundgesetz setzt hohe Hürden. Eine entscheidende Rolle kommt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu, mit dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits am Montag die Lage besprechen will. Ein Überblick über mögliche Optionen:

Könnte es nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen doch noch zu einer Neuauflage der großen Koalition kommen?

Das ist unwahrscheinlich. Die SPD hatte sich schon am Wahlabend auf die Oppositionsrolle festgelegt und rückte davon bislang nicht ab. Kurz nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen machte Parteivize Ralf Stegner direkt deutlich, dass sich die Lage für die SPD nicht verändert habe.

Wäre eine Minderheitsregierung eine Option?

Wohl kaum. Mit diesem in anderen Ländern durchaus üblichen Modell hat Deutschland auf Bundesebene keine Erfahrung. Auf Länderbene hat es eine Minderheitsregierung zuletzt 2010 bis 2012 in NRW gegeben. Dort hatte die rot-grüne Regierung allerdings auf die wechselnde Unterstützung der anderen Parteien im Düsseldorfer Landtag gesetzt - was nach zwei Jahren schlussendlich zu Neuwahlen führte. Die Linke - damals noch als PDS - als quasi fester Partner tolerierte bisher zwei Mal ein rot-grünes Bündnis: 1994 bis 1998 in Sachsen-Anhalt sowie 2001/02 in Berlin. So einen festen Partner gäbe es im Bund sicher nicht.

Die Kanzlerin hatte diese Option bereits am Abend der Bundestagswahl ausgeschlossen: "Ich habe die Absicht, dass wir zu einer stabilen Regierung in Deutschland kommen."

Unter welchen Umständen könnte es zu Neuwahlen kommen?

Bevor es zu einem weiteren Urnengang kommt, muss der neue Bundestag aufgelöst werden. Ein Weg dorthin ist grundsätzlich die Vertrauensfrage. Die früheren Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) hatten so Neuwahlen herbeigeführt. Doch Amtsinhaberin Merkel ist dieser Weg versperrt. Denn sie ist seit der Konstituierung des neuen Bundestags nur noch geschäftsführend im Amt. Und für diesen Fall besteht die Möglichkeit der Vertrauensfrage nicht.

Deshalb bleibt nur noch die Möglichkeit der Parlamentsauflösung nach einer Kanzlerwahl. Artikel 63 des Grundgesetzes sieht dafür als Szenario vor, dass Bundespräsident Steinmeier dem Parlament einen Vorschlag unterbreitet.

Verfehlt die Kanzlerin die erforderliche Mehrheit aller Abgeordneten, kann die Wahl innerhalb von 14 Tagen wiederholt werden. Bringt Merkel auch im zweiten Durchgang nicht die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich, reicht es im dritten Durchgang, wenn sie die relative Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt. Das dürfte ihr problemlos gelingen, schließlich ist nicht einmal ein Gegenkandidat zu erwarten.

In diesem Fall hat Steinmeier zwei Möglichkeiten. Er kann Merkel zur Kanzlerin ernennen oder den Bundestag auflösen. Für diese Entscheidung hat er sieben Tage Zeit. Entscheidet er sich für die Parlamentsauflösung, muss innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden.

Nach derzeitigem Stand ist aber keineswegs zu erwarten, dass Neuwahlen die politischen Verhältnisse im Lande klären: Nach den aktuellen Meinungsumfragen würde ein neuer Urnengang die Kräfteverhältnisse im Parlament nicht wesentlich verändern. Es würde rechnerisch wohl wieder nur für Jamaika oder die große Koalition reichen.

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