Süddeutsche Zeitung

Regierungsbildung:Schleppend Richtung große Koalition

  • Ab Donnerstag kommender Woche wird auf dem Bundesparteitag der SPD über die Frage verhandelt, ob die Sozialdemokraten doch noch in eine große Koalition gehen.
  • Weil ein schwarz-rotes Bündnis bei den Genossen äußerst unbeliebt ist, will die SPD-Spitze den Eindruck vermeiden, die Neuauflage sei bereits beschlossene Sache.
  • Denn ein solcher Eindruck könnte dazu führen, dass die Basis der Parteiführung das Mandat für Gespräche mit der Union verweigert.

Von Nico Fried, Christoph Hickmann und Robert Roßmann

Die politische Zukunft Deutschlands wird von Donnerstag kommender Woche an in einer Halle auf dem Berliner Messegelände verhandelt. Dort kommt die SPD zu ihrem Bundesparteitag zusammen - und die zentrale Frage wird sein, ob und in welcher Form sie sich an einer Regierung beteiligt. Es dürfte Streit geben. Denn letztlich geht es darum, ob die SPD sich doch noch auf eine große Koalition einlässt.

Weil diese bei den Sozialdemokraten äußerst unbeliebt ist und Parteichef Martin Schulz sich ursprünglich auf ein klares Nein zu Schwarz-Rot festgelegt hatte, will die SPD-Spitze unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, die Neuauflage sei bereits beschlossene Sache. Ein solcher Eindruck wäre vor dem Parteitag hochgefährlich - schließlich will sich die Parteiführung dort ein allgemeines Mandat für die Gespräche mit der Union holen. Und tatsächlich spielte auch die Option einer Minderheitsregierung in der etwa dreistündigen Sitzung des SPD-Präsidiums am Freitagmorgen länger eine Rolle. Am Abend zuvor hatte sich Schulz mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier getroffen.

Nach der Sitzung des SPD-Präsidiums trat Schulz dem Eindruck entgegen, die Sache sei bereits entschieden: Er habe eine "breite Unterstützung" dafür bekommen, mit Blick auf die Regierungsbildung "keine Option auszuschließen". Sein Auftritt war auch ein Indiz dafür, wie fragil die Lage noch ist. Denn kurz zuvor kursierte eine Meldung, die unter Berufung auf Unionskreise den Eindruck erweckte, Schulz habe beim Treffen mit Merkel, Seehofer und Steinmeier bereits eingewilligt, Gespräche über eine große Koalition zu führen. Schulz dementierte das vehement und ließ seinem Ärger freien Lauf.

Solche Falschmeldungen seien "inakzeptabel" und zerstörten Vertrauen, so der SPD-Chef. Er habe deshalb Merkel angerufen und ihr das gesagt. Die Kanzlerin wiederum habe ihm bestätigt, dass die drei Parteivorsitzenden das Schloss Bellevue am Vorabend mit der gemeinsamen Auffassung verlassen hätten, es würden nun ergebnisoffene Gespräche geführt.

Wenn es wirklich zu einer Koalition kommen soll, muss es erstes Ziel der SPD-Spitze sein, bereits in einer frühen Phase der Gespräche einige prestigeträchtige Erfolge zu erreichen. Seit Tagen kursieren in der Partei Kernanliegen, über die nun mit der Union geredet werden müsse. Dazu gehören unter anderem eine Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege, eine Rentenreform oder ein Investitionsprogramm für Bildung und Kommunen. Die Junge Union warnt deshalb bereits vor einer großen Koalition "um jeden Preis".

Die Union will ohne Vorbedingungen mit der SPD sprechen

Für die CDU ist die Lage trotzdem deutlich angenehmer als für die SPD. Sie hat weder eine Regierungsform ausgeschlossen noch hat sie einen Parteitag unmittelbar vor sich. CDU-Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler sagte nach einer Telefonkonferenz der Parteispitze, der CDU-Bundesvorstand habe sich für "ernsthafte Gespräche über die Bildung einer stabilen Regierung" mit den Sozialdemokraten ausgesprochen. Jetzt werde die Union abwarten, wie sich die SPD entscheide. Aus Sicht der CDU könnten die Gespräche "kurzfristig" beginnen, die Union werde dabei keine Vorbedingungen stellen.

In der Telefonkonferenz hatte Merkel von ihrem Gespräch mit den anderen beiden Parteichefs beim Bundespräsidenten berichtet. In der anschließenden Aussprache gab es auch Vorbehalte gegenüber einer möglichen großen Koalition. Einige in der Runde bevorzugen eine Minderheitsregierung. Werner M. Bahlsen, der Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, warnte Teilnehmerangaben zufolge vor allem vor den Kosten eines Bündnisses mit den Sozialdemokraten. Auch deshalb würden die Arbeitgeber eine große Koalition ablehnen, sagte Bahlsen.

Dem widersprachen die Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins, Armin Laschet und Daniel Günther. Die beiden hatten am Mittwoch den Deutschen Arbeitgebertag besucht und berichteten, ihr Eindruck von den Wünschen der Unternehmen sei ein anderer gewesen. Laschet sagte, den Arbeitgebern ginge es vor allem um Stabilität und Planbarkeit. Und das biete eine große Koalition. Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich ähnlich. Sie sagte, wenn die Arbeitgeber keine große Koalition wollten, hätten sie ja stärker auf die FDP einwirken können, um ein Jamaika-Bündnis zu ermöglichen. Außerdem warnte Kramp-Karrenbauer davor, die Probleme einer Minderheitsregierung zu unterschätzen.

Wenn die SPD diese nicht unterstützt, müsse man sich immer lagerübergreifende Mehrheiten suchen, da die Stimmen von FDP oder Grünen alleine nicht ausreichten. Dies wäre deutlich schwieriger, als es sich viele, die sich gerade eine Minderheitsregierung wünschten, vorstellen.

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SZ vom 02.12.2017/bemo
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