Süddeutsche Zeitung

Regierungsbildung in Österreich:Kanzlermacher Strache

Mit Kurz und den Konservativen? Oder doch mit den Sozialdemokraten? Der FPÖ-Chef sieht sich auf dem Sprung ins österreichische Innenministerium.

Von Leila Al-Serori, Wien, Alexandra Föderl-Schmid und Oliver Das Gupta, München

Partystimmung herrscht bei der FPÖ, der Jubel auf der mit Österreich-Fahnen dekorierten Wahlfeier ist groß. Der FPÖ-Vize und frühere Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer grinst breit, nachdem die ersten Hochrechnungen bekannt gegeben werden. Sie zeigen einen deutlichen Zuwachs für die Rechtspopulisten: "Ich glaube, dass der Gewinner heute die Demokratie ist", sagt Hofer. Nur unter dem früheren Parteichef Jörg Haider waren sie erfolgreicher: 1999 erhielten sie 26,9 Prozent. Diesmal sind es 26 Prozent. Parteichef Heinz-Christian Strache kann nun den Kanzlermacher spielen. Er ist sichtlich zufrieden: "Wir sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir haben die Themenführerschaft."

Weder ÖVP noch SPÖ haben eine Koalition mit ihm ausgeschlossen. Es wäre seine erste Regierungsbeteiligung. Strache hat klargemacht, dass er diesmal einer Regierung angehören möchte. Im Wahlkampf sagte er der Süddeutschen Zeitung: "Man kann uns verzögern, aber nicht aufhalten."

Der 48-jährige Strache ist seit zwölf Jahren Chef der FPÖ und kann eine Vergangenheit in der Neonazi-Szene vorweisen, die im Wahlkampf aber überhaupt kein Thema war. Er präsentierte sich vielmehr über weite Strecken von seiner sanften Seite, gab sich staatstragend. Um im Becken der Sozialdemokraten erfolgreich Wähler zu fischen, stilisierte sich Strache aber auch als Verteidiger des "kleinen Mannes". Das Motto der Kampagne war "Fairness". Erst im Endspurt setzte er wieder auf die bekannten Themen Islam und Einwanderung.

Jahrelang hatte Strache auch deshalb punkten können, weil er jünger und "fescher" als seine politischen Rivalen wahrgenommen wurde. Diese Rolle hat er nun an ÖVP-Chef Sebastian Kurz verloren, seinen möglichen künftigen Regierungspartner. Ein Vizekanzler Strache hätte nahezu ebenso viel Macht wie der Regierungschef, egal ob der nun von der ÖVP oder von der SPÖ gestellt wird. Denn in Österreich gibt es keine Richtlinienkompetenz des Kanzlers, was das Regieren der Vorgänger-Koalitionen deutlich erschwert hat.

Dass er gerne Innenminister werden würde und Norbert Hofer auf die Position des Außenministers hieven möchte, ist bekannt. Verhindern könnte einen Innenminister Strache noch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Der frühere Grünen-Chef hatte vor Amtsantritt gesagt, er würde einen Kanzler Strache nicht akzeptieren, später schwächte Van der Bellen seine Aussage ab. Am Wahlabend betonte Van der Bellen das "Recht des Bundespräsidenten", einzelne Personen als Minister abzulehnen, hielt sich aber mit weiteren Aussagen zurück.

Strache hatte sich auch im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung zuversichtlich gezeigt, dass Van der Bellen seine Berufung annehmen würde. "Wenn der Bundespräsident demokratisch gewählte Personen einfach so ablehnt, stellt er sich selbst außerhalb des Verfassungsrahmens."

Sollte die FPÖ in die Regierung einziehen, würden einige Ministerposten wohl von deutschnationalen Burschenschaftern besetzt. Als gesetzt gilt der frühere Präsidentschaftskandidat Hofer, der auch Vizechef in der Partei ist. Auch seinen Justizsprecher Harald Stefan hält Strache für ministrabel. Stefan ist Alter Herr der als rechtsextrem geltenden Burschenschaft Olympia. Den Grünen rief er 2011 bei einer Parlamentsdebatte Medienberichten zufolge zu: "Alle in den Gulag." Der EU-Abgeordnete Harald Vilimsky, der zuletzt die europaweite Vernetzung der Rechten mit der französischen Front-National-Chefin Marine Le Pen oder dem Niederländer Geert Wilders vorantrieb, wird auch als möglicher Innenminister gehandelt.

Strache war schon vor dieser Wahl einer der erfolgreichsten Rechtspopulisten Europas. 2005 hatte er nach der Abspaltung von Jörg Haider den Parteivorsitz übernommen, als die FPÖ in Umfragen auf drei Prozent abgestürzt war. Innerhalb von zwölf Jahren hat Strache mit einer Art Dauerwahlkampf seine damals desolate FPÖ zur Volkspartei gemacht. Kritiker hat er aus der Partei gedrängt, in der FPÖ ist er unumstritten.

Von einem "enormen Rechtsrutsch" spricht der noch amtierende Bundeskanzler Christian Kern mehrfach an diesem Wahlabend. Die Spitzenposition hat die sozialdemokratische SPÖ unter seiner Führung zwar verloren, aber besser abgeschnitten als Umfragen dies noch vor Kurzem prophezeit hatten.

Deshalb wird Kern auch mit Jubelrufen im SPÖ-Zelt empfangen. "Yes we Kern" ist immer wieder zu hören. Kern, der langjährige Spitzenmanager der österreichischen Bahn, der erst vor einem Jahr Kanzler wurde, versicherte, dass er weiter in der Politik bleiben wolle - nach dem ersten Jahr noch neun weitere Jahre. "Ich habe einen relativ präzisen Plan für die nächsten Jahre." Ab sofort müsse man daran arbeiten, Erster zu werden.

Kern gibt Medien Mitverantwortung für Wahlkampfstil

Nahezu frenetischer Beifall brandet auf, als Kern auch die Rolle der Medien in diesem Wahlkampf thematisiert. Er spricht ihnen eine Mitverantwortung für die Schlammschlacht zu.

Auch parteiintern war Kern dafür kritisiert worden, dass er der Boulevardzeitung Österreich Anzeigen gestrichen hat. Das Blatt hatte berichtet, dass Kern intern "Prinzessin" genannt werde. Der SPÖ-Chef verteidigte am Wahlabend sein Vorgehen: "Ich würde es ganz genau so wieder machen."

Einzig bei den Grünen herrscht keine Feierstimmung, Parteichefin Ingrid Felipe will gar nichts kommentieren. Auch nicht, warum der ehemalige Grünen-Abgeordnete Peter Pilz mit seiner Liste mehr Stimmen erhalten hat. Für die Grünen geht das Zittern bis zur Auszählung aller Briefwahlstimmen bis Donnerstag weiter.

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SZ vom 16.10.2017/odg
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