Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen:Merkel wirft Kraft Verantwortungslosigkeit vor

Nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen erteilte Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Kraft Neuwahlen eine Absage. Dafür hagelt es Kritik von allen Seiten. Auch die Kanzlerin meldet sich zu Wort.

Nachdem die Sondierungs- und Koalitionsgespräche in Nordrhein-Westfalen ergebnislos zu Ende gegangen sind, will Hannelore Kraft, SPD-Vorsitzende des Landes, ihr Programm aus der Opposition heraus realisieren, statt sich um Neuwahlen zu bemühen. Dafür hagelt es Kritik nicht nur von der CDU, sondern auch von den Grünen und der Linken.

Landtag Düsseldorf

Will die Politik der SPD über Anträge im Parlament durchsetzen, statt eine Koalition einzugehen: Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Hannelore Kraft

(Foto: dpa)

Im Deutschlandradio Kultur sagte Kraft, Neuwahlen seien nicht das Interesse ihrer Partei. Die SPD wolle nun auf den Versuch einer Regierungsbildung verzichten und probieren, ihre Politik über Anträge im Landtag durchzusetzen. "Dafür gibt es Mehrheiten im Parlament, und die werden wir suchen und dann auch finden", sagte Kraft. Die Grünen hätten Kraft gerne mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen, um dann innerhalb eines Jahres Neuwahlen ansetzen zu können.

Die Bildung einer SPD-Minderheitsregierung schloss Kraft erneut aus. Nach dem Scheitern der Gespräche über die Bildung einer Ampelkoalition mit Grünen und FDP hatte der SPD-Landesvorstand am Freitagabend auch Verhandlungen mit der CDU über eine große Koalition eine Absage erteilt.

"Verantwortungslose Haltung"

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers kritisierte die Weigerung der SPD, über eine große Koalition zu verhandeln, als "Form der Gestaltungsverweigerung". Die CDU stehe weiter für die Bildung einer stabilen Regierung zur Verfügung, sagte Rüttgers der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Als geschäftsführender Ministerpräsident der amtierenden schwarz-gelben Minderheitsregierung werde er alles verfassungsrechtlich Mögliche tun, "damit aus der verantwortungslosen Haltung der SPD kein Schaden für das Land entsteht".

Bundeskanzlerin Angela Merkel ward Kraft Verantwortungslosigkeit vor. "Die Verweigerungshaltung von Frau Kraft ist unverantwortlich, gerade in den schwierigen Zeiten, in denen sich das Land befindet", sagte Merkel der Bild am Sonntag. Sie könne der SPD nur dringend raten, "in Verantwortung für Nordrhein-Westfalen wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren und die Realitäten anzuerkennen", so die CDU-Vorsitzende weiter.

Doch Kritik an der Haltung der SPD kommt nicht nur von konservativer Seite: Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Jürgen Trittin, kritisierte ebenfalls in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die Festlegung Krafts, keine rot-grüne Minderheitsregierung bilden zu wollen: "Die SPD kommt dem Auftrag der Wähler nicht nach. SPD und Grüne wurden gewählt, um Rüttgers abzulösen. Es wäre nicht zu verstehen, wenn die SPD nicht die Kraft hat, selbst eine Minderheitsregierung zu bilden, aber nichts dabei findet, eine Minderheitsregierung unter Rüttgers zu tolerieren."

Die Grünen-Landeschefin in Nordrhein-Westfalen, Daniela Schneckenburger sagte, durch diesen Schritt drohe Kraft die "politische Abseitsfalle"". Es dürfe nicht zugesehen werden, wie CDU und FDP nun im Bundesrat "das Sparpaket der Bundesregierung durchwinken, das Familien und arbeitslose Menschen trifft". Gemeinsam müssten SPD und Grüne "die Möglichkeit einer Minderheitsregierung, die die Landesverfassung ja explizit vorsieht, zumindest prüfen". Weil CDU und FDP nun in Nordrhein-Westfalen geschäftsführend im Amt bleiben, behält Schwarz-Gelb seine Mehrheit im Bundesrat.

Der Vorsitzende der Linken, Klaus Ernst, kritisierte, Kraft fehle "der Machtinstinkt". Sie könne "sich sofort zur Ministerpräsidentin wählen lassen und einen echten Politikwechsel einleiten, wenn sie endlich die unsinnige Frontstellung nach links aufgeben würde", sagte Ernst in Berlin.

Von ihrer Parteibasis dagegen bekommt Kraft für den Schritt "100 Prozent Zustimmung, langanhaltenden Beifall und einen Blumenstrauß", wie Teilnehmer von SPD-Regionalkonferenzen in Bielefeld und Dortmund am Samstag berichteten.

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