Süddeutsche Zeitung

Regierungsbildung in Israel:Politik mit Fäusten

Netanjahu schmiedet mit "Unser Haus Israel" eine rechtsreligiöse Koalition. Sein künftiger Außenminister Lieberman betreibt Politik als Boxkampf - der Friedensprozess wird begraben.

Th. Schmitz, Tel Aviv

Mit der Unterschrift von Avigdor Lieberman unter den Koalitionsvertrag ist die nähere Zukunft Israels und der Palästinenser besiegelt. Es ist ein Schritt zurück in eine kalte Zukunft. Der Vorsitzende der russischen Immigrantenpartei "Unser Haus Israel" wird jetzt Außenminister in der von Benjamin Netanjahu angeführten rechtsreligiösen Regierung.

Künftig also wird ein ehemaliger Türsteher das zweitwichtigste Amt im Staat Israel innehaben. Ein Mann, der mit höchst kontroversen Aussagen in jüngster Zeit unter Beweis gestellt hat, dass er Politik mit Fäusten betreibt und nicht mit diplomatischem Fingerspitzengefühl.

Der Ultranationalist Lieberman, der mit seiner Familie in einer jüdischen Siedlung im Westjordanland wohnt, hat mit einem explizit antiarabischen Wahlkampf 15 Mandate für seine Partei errungen. Er fordert einen Loyalitätstest aller israelischen Araber und die Verbannung jener Araber in die Palästinensergebiete, die den Test nicht bestehen. In Liebermans Welt wird Arabern misstraut. Dennoch wehrt er sich gegen den Vorwurf, er sei Rassist. Doch man mag ihm kaum glauben.

Indem Netanjahu nun den aus Moldawien stammenden Lieberman zum Außenminister kürt, hat er sämtliche Aussichten auf einen Friedensschluss erst einmal begraben. Lieberman begreift Politik als Boxkampf und teilt regelmäßig aus. In der Vergangenheit hat er die Hinrichtung jener arabischer Abgeordneten gefordert, die Kontakte nach Syrien oder in den Libanon unterhalten.

Aggressive Friedensverhinderungspolitik

Als Strategie-Minister unter Regierungschef Ehud Olmert sprach er sich für die Bombardierung Irans aus. Lieberman lehnt außerdem den Friedensvertrag von Oslo und den Friedensfahrplan des Nahost-Quartetts ab. Dass die israelische Armee den Gaza-Krieg gestoppt hat und Hamas dort noch immer herrscht, bedauert er. Er ist dafür, den Gaza-Streifen "komplett einzuebnen". Die israelische Armee solle dort vorgehen, "wie die russische Armee in Tschetschenien". Auch Ägypten drohte Lieberman bereits. Falls Kairo sich nicht an den Friedensvertrag halte, solle Israel einfach den Assuan-Damm bombardieren.

Netanjahu begräbt mit seiner Regierung den Friedensprozess. Sie ist auch ein Affront gegenüber den Bemühungen der neuen US-Administration. Präsident Barack Obama hat angekündigt, er wolle eine "aggressive Friedenspolitik" im Nahen Osten betreiben. Netanjahu dagegen wird eine aggressive Friedensverhinderungspolitik betreiben. Seine Koalition ist für Friedensbefürworter ein Albtraum.

Netanjahu wird Israel in eine Sackgasse manövrieren

Außer Lieberman werden noch vier weitere ultraorthodoxe rechte und siedlerfreundliche Parteien der Regierung Netanjahus angehören. Allen gemeinsam ist, dass sie den Status quo der Besatzung fortsetzen wollen, weil ihnen ein Palästinenserstaat an der Seite Israels als Bedrohung des jüdischen Staates erscheint.

Ohnehin hat Netanjahu kein Interesse an der Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung. Er misstraut den Palästinensern und hat bereits angekündigt, er wolle jetzt erst einmal die Herrschaft der radikalislamischen Hamas im Gaza-Streifen beenden. Da ist er sich ganz einig mit Lieberman. Wie schon in seiner ersten Amtszeit wird auch jetzt Netanjahu Israel in eine Sackgasse manövrieren. Als Geisel der rechten und religiösen Parteien wird er über keinen Bewegungsspielraum verfügen.

Gerade hat der Frühling in Israel begonnen. Tatsächlich aber herrscht Eiszeit.

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