Süddeutsche Zeitung

Regierungsbildung in Israel:EU warnt Netanjahu

In Israel formiert sich eine rechtsreligiöse Koalition. Brüssel fordert auch von dieser ein Bekenntnis zum Palästinenserstaat - die USA demonstrieren Gelassenheit.

C. Gammelin und R. Klüver

Die Europäische Union hat den designierten Ministerpräsidenten Israels, Benjamin Netanjahu, gewarnt, eine Regierungskoalition mit ultrarechten Parteien dürfe nicht das Ziel eines Palästinenserstaates in Frage stellen. "Ich möchte sehr klar sagen, dass die Art, wie die Europäische Union mit einer israelischen Regierung umgehen würde, die keine Zwei-Staaten-Lösung will, sehr, sehr anders (als jetzt) wäre", sagte EU-Außenbeauftragte Javier Solana in Brüssel.

Die bisherige Zusammenarbeit könne "in dieser Form" nur mit einer israelischen Regierung fortgesetzt werden, "die auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinarbeitet", fügte der Chefdiplomat zu Beginn der Beratungen der europäischen Außenminister am Montag in Brüssel hinzu. Netanjahu hat eine Koalitionsvereinbarung mit der ultrarechten Partei Unser Haus Israel unterzeichnet. Demnach soll der Ultra-Nationalist Avigdor Lieberman Außenminister werden. Lieberman ist für seine scharfe anti-arabische Rhetorik bekannt.

Skepsis gegen den Außenminister

Vor allem die mögliche Ernennung Liebermans als Außenminister wird in Brüssel mit viel Skepsis gesehen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte am Montagabend: "Es würde eine andere politische Lage entstehen, wenn die neue Regierung in Israel den mühsam begonnenen Friedensprozess nicht fortsetzen würde. Dann würde sich die Zusammenarbeit der EU mit Israel ändern."

Der schwedische Außenminister Carl Bildt unterstrich ebenfalls, dass sich eine neue israelische Regierung zu einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten bekennen müsse. Was die Europäische Union bei den palästinensischen Gesprächspartnern voraussetze, gelte auch für Israel. "Wir haben den gleichen Standard für alle, und dies ist Teil der Standards, die wir an Regierungen in dieser speziellen Region anlegen", sagte Bildt. Der französische Außenminister Bernard Kouchner riet hingegen davon ab, ein Scherbengericht zu veranstalten und plädierte dafür, mit der israelischen Regierung zusammenzuarbeiten.

Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama hat sich wiederholt für einen palästinensischen Staat ausgesprochen. Doch so kritische Äußerungen wie aus Brüssel wird man in Washington nicht hören, jedenfalls nicht vor Mikrofonen. Nicht, dass sich Präsident Barack Obama oder seine Chefdiplomatin Hillary Clinton über einen Premier Netanjahu oder einen ehemaligen moldawischen Türsteher als israelischen Außenminister besonders freuen würden. Clinton hatte rasch eine gute Arbeitsbeziehung zur bisherigen Außenministerin Tzipi Livni entwickelt. Und zwei unterschiedlichere politische Temperamente als Netanjahu und Obama sind kaum vorstellbar. Aber die neue Regierung in Washington wird mit jeder neuen Regierung in Jerusalem zusammenarbeiten.

Verfahrene Situation

Die Neuen in Washington haben die Ausgangslage im Nahen Osten genau analysiert. Sie wissen, dass es seit anderthalb Jahrzehnten keine wirklichen Fortschritte gab. Präsident Bill Clinton hatte Israelis und Palästinenser nach dem Osloer Abkommen von 1994 nicht zum Frieden überreden können. Sein Nachfolger George W. Bush ließ den Israelis weitgehend freie Hand für die Kriege im Libanon und in Gaza. Nun ist die Situation verfahrener denn je. Bei den Palästinensern gibt es niemanden, der wirklich mit Autorität verhandeln könnte. Und die neue Regierung in Israel ist schwach, solange sie nicht zumindest die politische Mitte mit einschließt.

Nur kennen die Experten in der Washingtoner Administration die Geschichte der Friedensdiplomatie im Nahen Osten genau. Sie wissen, dass Fortschritte nur möglich waren, wenn ausgesprochene Falken in Israel regierten: Menachem Begin schloss Frieden mit Ägypten, Yitzhak Rabin erkannte die Palästinenser-Autonomie im Westjordanland und in Gaza an und unterzeichnete ein Friedensabkommen mit Jordanien. Ariel Scharon schließlich zog die israelischen Truppen aus Gaza ab. Insofern sind die USA nicht wirklich irritiert, dass nun Netanjahu und damit ein erklärter Falke die Geschäfte in Jerusalem führt.

Natürlich übersieht man auch in Washington nicht die katastrophale Ausgangslage für einen erfolgversprechenden palästinensisch-israelischen Dialog. Deshalb hat man sehr aufmerksam die Signale aus dem politischen und militärischen Establishment in Israel registriert, dass man dort - bei aller Skepsis - Gespräche über eine Friedensregelung etwa mit Syrien nicht kategorisch ablehnt.

Gute Schachspieler

Eine Einigung mit Syrien brächte enorme Vorteile. Sie würde den Druck auf die Palästinenser erhöhen, dann ebenfalls den Ausgleich zu suchen. Damaskus könnte mäßigenden Einfluss auf die Radikalen von Hamas und Hisbollah ausüben. Der Einfluss Irans, Syriens engster Partner, würde entscheidend zurückgedrängt. Mit einem Wort: Die Hoffnung auf einen umfassenden Deal im Nahen Osten wäre nicht auf unabsehbare Zeit dahin.

Deshalb bemühen sich Obama und Clinton wie gute Schachspieler zu Beginn der Partie, sich eine günstige Ausgangspositionen zu verschaffen. Dazu zählte die Berufung des allseits geschätzten Unterhändlers George Mitchell als Sonderemissär und die Entsendung zweier Diplomaten nach Damaskus. Präsident Bush hatte Gespräche mit Syrien stets verweigert. Außerdem darf Iran zu den Afghanistan-Gesprächen Ende März. Da ändert die mögliche Berufung eines rechten Außenministers in Israel aus Sicht Washington wenig.

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SZ vom 17.3.2009/vw
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