Regierungsbildung in Hessen:Volles Risiko

Mit der Linkspartei setzen SPD und Grüne in Hessen auf einen höchst unzuverlässigen Partner. Das wird für sie noch zum Problem werden.

Christoph Hickmann

Kein Sozialabbau, keine Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst, keine Privatisierungen: Der Parteitag der hessischen Linken hat SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti eine auf den ersten Blick komfortable Grundlage für eine Zusammenarbeit geliefert. Als Bedingung für die Tolerierung einer Minderheitsregierung stellt die Linke nämlich nur diese Forderungen, die durchaus kompatibel sind mit den Programmen von SPD und Grünen. Und nur auf diese Kernpunkte kommt es wirklich an.

Linkspartei, Hessen

Wird die Linkspartei für SPD und Grüne noch zum Problem werden?

(Foto: Foto: AP)

Zwar ist der am Wochenende beschlossene Forderungskatalog derart umfangreich, dass er für diverse Legislaturperioden und noch mehr Zerwürfnisse mit Rot-Grün reichen würde. Zwar werden sich die Linken-Unterhändler in den nächsten Wochen kantiger als beim Parteitag geben - etwa wenn es um den Ausbau der Flughäfen in Frankfurt und Kassel-Calden oder den Aufbau eines öffentlichen Beschäftigungssektors geht.

Doch letztlich, das haben alle maßgeblichen Redner klargemacht, lässt sich über alles reden. Nicht verhandelbar sind nur die drei Kernbedingungen.

So betrachtet, definiert die Linkspartei nicht, was eine Minderheitsregierung tun, sondern nur das, was sie nicht tun soll. Das wird für SPD und Grüne noch zum Problem werden. Unendlich viel war in beiden Parteien zuvor spekuliert worden über mögliche wahnwitzige Bedingungen der Linken-Basis für die Tolerierung.

Dazu kam es nicht - vorerst. Dass die Lafontaine-Partei sich in Hessen stattdessen anschickt, die Rolle des Wasserträgers zu spielen, liegt nicht daran, dass sie erwachsen geworden wäre. Es liegt an einem einzelnen Mann: Roland Koch, noch geschäftsführender CDU-Ministerpräsident, muss weg. Auf diese Maxime hat die Partei ihre Politik für den Moment reduziert.

Läuft nun alles weiter glatt (was längst noch nicht ausgemacht ist), kann dieses Ziel sehr schnell erledigt sein. Jene Basis, die sich an diesem Wochenende so zurückgehalten hat, wird dann fragen, ob man nicht eigentlich noch ein paar andere Dinge hatte durchsetzen wollen - Dinge, die eben gar nicht vereinbar sind mit Rot-Grün.

Wollte man, nur zum Beispiel, nicht sehr viel mehr Geld für soziale Wohltaten ausgeben? Wollte man nicht eine ganz andere Politik? Das wird spätestens dann kitzlig, wenn im nächsten Jahr das Geld knapp wird, zuvor aber ein Doppelhaushalt beschlossen wurde. Um sichtbar zu bleiben, bliebe der Linken im Parlament nur die Obstruktion.

Im nächsten Jahr aber geht es um mehr als nur um Hessen. Es geht um die Macht im Bund. Würde dann das hessische Modell platzen, wäre der Schaden für die SPD größer, als selbst die härtesten Ypsilanti-Gegner derzeit orakeln. Dann hätte Ypsilanti nicht nur ihr Wort gebrochen, nicht mit der Linken zu kooperieren, das Ergebnis wäre auch noch politisches Chaos. Sie mag erst einmal freie Bahn haben, doch die Hindernisse dürften bald sichtbar werden. Und die Bundespartei? Kann nur noch zusehen.

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