Regierungsbildung in Hessen:Land in Lähmung

In Hessen sind die Chancen auf eine stabile Regierung drastisch gesunken. Nach dem gescheiterten SPD-Versuch, die linke Mehrheit im Parlament zu nutzen, bleibt nicht mehr viel - am Ende könnten nur Neuwahlen die Rettung sein.

Christoph Schäfer

Die hessische SPD liegt am Boden: Weil sich die Darmstädter Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger weigert, ihre Parteichefin mit Hilfe der Linkspartei an die Macht zu bringen, hat Andrea Ypsilanti ihre Hoffnung auf ein rot-rot-grünes Bündnis erst einmal beerdigt.

Regierungsbildung in Hessen: Hat ihre Hoffnungen auf ein rot-rot-grünes Bündnis vorerst beerdigt: Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti

Hat ihre Hoffnungen auf ein rot-rot-grünes Bündnis vorerst beerdigt: Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti

(Foto: Foto: AP)

Schon vor Metzgers Entscheidung war der stümperhaft kommunizierte Kurswechsel der SPD in Hessen ein Himmelfahrtskommando: Ypsilanti hätte 56 Stimmen gebraucht, um Roland Koch aus dem Amt zu drängen. SPD, Grüne und Linkspartei verfügen zusammen über 57 Stimmen. Eine ausgesprochen dünne Mehrheit.

Zudem wurde die Öffnung der SPD zur Linken - die den Wahlversprechen zuwidergelaufen wäre - in der Partei kontrovers diskutiert. Unter diesen Bedingungen waren Abweichler und politische Heckenschützen mehr als wahrscheinlich.

"Hessen vorn" hieß es früher im traditionellen SPD-Land. Und nun? Nach menschlichem Ermessen wird die FDP bei ihrer Weigerung bleiben, in eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen einzutreten. Genauso unwahrscheinlich ist, dass die Grünen oder die SPD in eine Regierung eintreten, die von Ministerpräsident Roland Koch geführt wird.

Hessen hinten?

Es bleiben vier Möglichkeiten: Roland Koch tritt zurück und räumt seinen Posten für einen anderen Christdemokraten. Petra Roth zum Beispiel steht als Frankfurter Oberbürgermeisterin einer schwarz-grünen Regierung vor. Vielleicht ließen sich Grüne oder SPD für den Fall des Koch-Abschieds erweichen, doch noch in eine schwarz geführte Regierung einzutreten. Davon ausgehen kann man nicht, auch weil die Parteien inhaltlich weit auseinanderliegen.

Möglich wäre ebenso, dass Koch noch Monate geschäftsführend im Amt bleibt. Weil CDU und FDP ihre Mehrheit eingebüßt haben, kann er aber keine Gesetze mehr durch den Landtag bringen. Das Land bliebe gelähmt. Hessen hinten?

Die letzte und beste Möglichkeit in einer derart verfahrenen Situation sind Neuwahlen. Es ist zwar richtig, dass man das Volk nicht so lange abstimmen lassen sollte, bis das gewünschte Ergebnis herauskommt. Trotzdem stellt ein neuer Urnengang womöglich das kleinste aller möglichen Übel dar.

In diesem Fall dürfen die Parteien ihren Fehler nicht wiederholen, mit klaren Bündnisaussagen in den Wahlkampf zu ziehen. Wenn sich die FDP nicht mehr sklavisch an die CDU kettet und die SPD ein Bündnis mit der Linkspartei nicht im Vorfeld ausschließt, dürfte es den hessischen Wählern leichter fallen, ein brauchbares Ergebnis zustande zu bringen.

Falls es auch dann noch nicht für Schwarz-Gelb oder Rot-Grün reicht, brauchen die Parteien zumindest nicht mehr ihr Wort brechen, wenn sie sich auf eine andere Konstellation einlassen. Auf diese Chance sollten die Hessen jetzt setzen.

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