Süddeutsche Zeitung

Regierungsbildung:Glyphosat wird zum Vertrauensvernichter

Wussten die Kanzlerin und CSU-Chef Seehofer, was der Landwirtschaftsminister plante? Von der Frage, ob Christian Schmidt im Alleingang das Glyphosat-Ja beschloss, hängt viel ab.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Christian Schmidt ist ein Landwirtschaftsminister, von dem wenig bis nichts in Erinnerung geblieben wäre, wenn er bis Montag Mittag seinen Rücktritt eingereicht hätte. Dann aber ließ er plötzlich seinen Vertreter in Brüssel für die Verlängerung des Herbizids Glyphosat stimmen. Der Alleingang des CSU-Ministers ist ein starkes Stück und zeigt zugleich die Schwäche der geschäftsführenden Bundesregierung. Ungefähr im selben Tempo, in dem Glyphosat Unkraut vernichtet, hat Christian Schmidt damit Vertrauen zwischen Union und SPD zerstört.

Schmidt bekräftigt, auf eigene Faust gehandelt zu haben und rechtfertigt seine Entscheidung damit, dass die Entscheidung der Agrarminister besser für die Artenvielfalt sei, als es ein etwaiger Beschluss der Europäischen Kommission zugunsten von Glyphosat gewesen wäre. Offenbar konnte er davon noch nicht einmal die sozialdemokratische Umweltministerin Barbara Hendricks überzeugen. Schon allein, dass er trotz ihres Vetos einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat hat zustimmen lassen, ist nicht nur eine kollegiale Hinterlist, sondern ein politischer Affront.

Die entscheidende Frage ist simpel: Wusste das Kanzleramt, wusste Angela Merkel, wie ihr Minister in Brüssel abstimmen lassen würde? Hat sie ihm womöglich grünes Licht gegeben? Von der Antwort hängt viel ab: Wenn Merkel am selben Tag, an dem sie der SPD "ernsthafte" und "redliche" Gespräche über eine Regierungsbildung anbietet, einen Vertrauensbruch in diesem Ausmaß geduldet oder gar veranlasst hätte, könnte den Sozialdemokraten niemand verübeln, wenn ihre Skepsis gegenüber einer Zusammenarbeit mit der Union in endgültige Ablehnung umschlüge. Es wäre allerdings ein Vorgang von so hochgradiger politischer Dummheit, dass es selbst Kritikern schwer fallen dürfte, ihn mit Merkel in Verbindung zu bringen.

Merkel hat schon mal einen Minister rausgeschmissen

Ähnliche Fragen richten sich aber auch an die CSU. Wusste der um sein politisches Überleben ringende Horst Seehofer von der Entscheidung? Hat er sie durchgewunken, weil die CSU bei der Landtagswahl im Herbst 2018 jede Stimme braucht, und die Stimmen mancher Bauern für die CSU besonders wichtig sind? Auch bei Seehofer darf man freilich annehmen, dass sein politischer Verstand noch nicht so schwach ist wie sein Rückhalt in Teilen der CSU.

Vieles spricht dafür, dass Schmidt im Alleingang gehandelt hat. Wenn das so ist, was dann? Merkel hat schon mal einen Minister rausgeschmissen. Aber Norbert Röttgen gehört der CDU an. Einen Ressortchef von der Schwesterpartei kriegt sie nur im Einvernehmen mit der CSU los, so wie einst Schmidts Vorgänger Hans-Peter Friedrich. Die Tatsache, dass die Regierung nur geschäftsführend ist, macht die Sache noch schwieriger. Denn Schmidt hat bereits das Verkehrsministerium von Alexander Dobrindt kommissarisch übernommen. Der letzte CSUler, Gerd Müller, müsste plötzlich drei Ressorts führen.

Bleibt Schmidt aber, könnte auch ein Eindruck bleiben, der Merkel bei der Regierungsbildung nicht dienlich wäre: Sie hat den Laden nicht mehr im Griff.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2017/jsa
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