Süddeutsche Zeitung

Regierungsbildung:Die CDU hofft auf die Sozialdemokraten

Merkel hält sich mit Avancen an die SPD allerdings noch zurück. Sie will erst die Vermittlung des Bundespräsidenten und den Ausgang des Richtungsstreits innerhalb der SPD abwarten.

Von Robert Roßmann, Berlin

In der Jungen Union haben Rücktrittsforderungen gerade Konjunktur. Die bayerische JU hat den Rückzug von CSU-Chef Horst Seehofer verlangt, die baden-württembergische JU den von CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Jetzt trifft der Furor der Parteijugend auch Angela Merkel. Die JU Düsseldorf ist zu der Auffassung gelangt, dass "der Kanzlerin persönlicher Machterhalt wichtiger scheint als die inhaltlichen Positionen der CDU". Sie fordert deshalb den sofortigen Rücktritt Merkels vom Parteivorsitz. Damit will die Düsseldorfer JU "dem Niedergang der stolzen Volkspartei CDU entgegenwirken".

All diese Beschlüsse sind ein Zeichen dafür, dass es in der Union rumort - allerdings auch nicht mehr. Ohne der JU zu nahe zu treten, kann man sagen, dass die Macht ihrer Untergliederungen überschaubar ist. Das Scheitern der Jamaika-Sondierung stärkt die Stellung Merkels in der CDU sogar, zumindest für den Moment. In unübersichtlichen Zeiten schart sich die Parteispitze gerne hinter der Vorsitzenden. Trotzdem stellt sich jetzt die Frage, welchen Kurs Merkel nach der gescheiterten Regierungsbildung einschlagen will.

Die Lage der Union wird auch dadurch erschwert, dass die AfD im Parlament sitzt

Die Kanzlerin hat bereits am Montag gesagt, dass sie Neuwahlen einer Minderheitsregierung vorzieht. Eine solche Regierung käme den Steuerzahler teuer. Denn Chefs von Minderheitsregierungen müssen sich die nötige Unterstützung anderer Parteien durch kostspielige Konzessionen erkaufen. Eine Minderheitsregierung ist aus Sicht der CDU-Spitze aber auch aus anderen Gründen keine gute Lösung. In der Telefonkonferenz des CDU-Bundesvorstandes am Montag wurde zwar festgestellt, dass auch eine lediglich geschäftsführend amtierende Kanzlerin über gehörige Macht verfügt. Außerdem könne die SPD im Bundestag schlecht Fundamentalopposition betreiben, da noch immer Sozialdemokraten als Minister in Merkels Kabinett säßen - allen voran Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass in der parlamentarischen Praxis schnell einiges ins Rutschen geraten könnte. Bereits am Dienstag stimmte die SPD im Bundestag gegen einen Antrag des Finanzministeriums, die Voraussetzungen für Irland zu schaffen, Restschulden vorzeitig zurückzahlen zu können. Dabei hatten die SPD-Minister dem Antrag im Kabinett zugestimmt. Auf die Hilfe der SPD kann sich die Union also nicht verlassen.

Dass seit der Wahl auch die AfD im Parlament sitzt, erschwert die Lage für die Union zusätzlich. Als Beispiel für die neuen Probleme wird immer wieder die im März 2018 auslaufende Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär geschützte Flüchtlinge genannt. Wenn die Union einen Antrag auf die von ihr gewünschte Verlängerung einbringt, würde er mit Unterstützung der FDP und der AfD eine Mehrheit finden. Aber die Union müsste sich anschließend vorhalten lassen, mithilfe der Rechtspopulisten restriktive Maßnahmen gegen Flüchtlinge beschlossen zu haben. Stellt sie den Antrag aber nicht, läuft die Aussetzung einfach aus. Oder die AfD stellt den Antrag und führt die Union damit vor.

Das alles heißt aber noch lange nicht, dass Merkel Neuwahlen will. Am liebsten wäre es der Kanzlerin, wenn sie doch noch eine stabile Mehrheit im Bundestag hinter sich brächte. In der CDU-Spitze gibt es wegen der Form des Abgangs der FDP aus der Sondierung keine ernsthafte Hoffnung mehr, dass es doch noch zu einer Jamaika-Koalition kommt. Deshalb richten sich die Blicke jetzt auf die SPD. Einige CDU-Granden haben die Sozialdemokraten bereits aufgefordert, ihre Blockade aufzugeben. Merkel selbst hält sich allerdings noch zurück. Sie will die Vermittlungsbemühungen des Bundespräsidenten, vor allem aber den Ausgang des Streits in der SPD abwarten. Der öffentliche Druck auf die SPD, doch noch über eine Koalition zu verhandeln, dürfte auch ohne Merkels Zutun enorm steigen. Außerdem ist derzeit ja nicht einmal sicher, dass Martin Schulz Parteichef bleibt.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2017
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