Regierung - Wiesbaden:Kommunen unterstützen lokales Corona-Präventionskonzept

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Wiesbaden (dpa/lhe) - Mit einem mehrstufigen Präventionskonzept will sich Hessen für den lokalen Ausbruch von Coronainfektionen wappnen. Nach den landesweiten Corona-Lockerungen gewinne für die örtlichen Behörden die Möglichkeit an Bedeutung, lokal begrenzte Schutzmaßnahmen anordnen zu können, erklären Sozialminister Kai Klose (Grüne) und Innenminister Peter Beuth (CDU) am Mittwoch in Wiesbaden. Das neue Konzept des Landes sehe das nun vor. "Damit stellen wir sicher, dass ein möglicher erneuter Anstieg der Infektionszahlen schnell eingedämmt werden kann." Aus den Kommunen kam Zustimmung zu den Plänen.

Die örtlich begrenzten Schutzmaßnahmen richten sich nach Angaben der Minister an der Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und setzen nun deutlich früher an als bei den bisherigen Vorgaben zum Schutz vor einer Erkrankung. Konkret soll bei einem lokalisierten und klar eingrenzbaren Infektionsgeschehen das Beschränkungskonzept dann auch nur die betroffene Einrichtung umfassen können. Bei einem verteilten regionalen Ausbruchsgeschehen und unklaren Infektionsketten müssen jedoch regionale oder überregionale allgemeine Beschränkungen eingeführt werden.

Bislang ist in Hessen geregelt, dass eine Verschärfung der Beschränkungen des öffentlichen Lebens bei 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen greift. Davon waren zuletzt alle Städte und Kreise im Land weit entfernt. Nach dem neuen Präventions- und Eskalationskonzept der Landesregierung werden nun bereits ab einer Zahl von 20 Neuinfektionen eine erhöhte Aufmerksamkeit, ein erweitertes Meldewesen sowie bedarfsgerecht angepasste Maßnahmen angeordnet.

Ab 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner sind demnach erweiterte Maßnahmen sowie die Einbindung des Planungsstabs Covid-19 des hessischen Sozialministeriums vorgesehen. Sollte die Zahl von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner überschritten werden, soll es ein konsequentes Beschränkungskonzept, eine enge Zusammenarbeit mit dem Planungsstab Covid-19 des Ministeriums sowie dem koordinierenden Krankenhaus des Versorgungsgebietes geben. Mobilitätseinschränkungen können dann ebenfalls angeordnet werden.

Ab einer Zahl von 75 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner ist nach dem Konzept dann eine Steuerung der medizinischen Lage durch den Planungsstab Covid-19 des Sozialministeriums geplant. Am Mittwoch meldete das Sozialministerium bei der Zahl der bestätigten Corona-Infektionen eine Erhöhung von 27 Fällen zum Vortag auf 11 012. Die Zahl der Menschen, die landesweit an einer Covid-19-Erkrankung starben, lag unverändert bei 512.

Die kommunalen Spitzenverbänden nannten das Papier ein "gutes Frühwarnsystem mit Richtwerten des Landes. Es gebe den Landkreisen vor Ort aber auch genügend Spielraum für die passenden Maßnahmen", erklärte Jan Hilligardt, der geschäftsführende Direktor des Hessischen Landkreistages. Man habe die Landesregierung wiederholt auf die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von Vorgaben des Landes für einen abgestuften, den jeweiligen Infektionszahlen vor Ort angepassten Umgang hingewiesen und ein entsprechendes Konzept angeregt. "Es wird abzuwarten sein, wie sich das Konzept in seiner Anwendung bewähren wird."

Der Hessische Städtetag hält ein mehrstufige Vorgehen für prinzipiell richtig. Entscheidend sei aber die Praxistauglichkeit, sagte der geschäftsführende Direktor Jürgen Dieter. Man müsse nun im Detail schauen, ob die Vorschriften tragfähig seien. Er habe die Hoffnung und Erwartung, dass das Ministerium bereit sei, an einer gegebenenfalls weiteren Verbesserung zu arbeiten.

Lokal begrenzte Corona-Beschränkungen könnten aber auch einen negativen Effekt haben, mahnte dagegen der Marburger Demokratieforscher Reiner Becker. Er hatte schon im Mai gewarnt, dass eine zunehmende Kommunalisierung von Strategien zur Bewältigung der Pandemie Politiker vor Ort zur Zielscheibe machen könnte. Diese Gefahr sieht er weiter: "Es könnte sein, dass sich die Stimmungslagen auch lokalisiert konzentrieren."

Verwaltungen und Kommunalpolitiker könnten dann viel stärker in den Fokus von Anfeindungen geraten - wenn sie beispielsweise persönlich für einen Lockdown verantwortlich gemacht werden. Dies sei aber unabhängig davon, dass ein lokales Corona-Präventionskonzept fachlich richtig sein könne, sagte der Demokratieforscher.

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