Vorsondierungen:Vertrauliche Inhalte erneut durchgestochen

Die FDP war empört, als Inhalte ihrer Vorsondierung mit CDU und CSU in den Medien landeten. Nun wurden auch Inhalte aus Unions-Gesprächen mit den Grünen öffentlich. Der erneute Vertrauensbruch dürfte Armin Laschets Annäherungsversuche weiter erschweren.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Trotz Indiskretionen und Verärgerung bei Grünen und FDP hält CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet an der Hoffnung fest, mit den beiden Parteien eine Bundesregierung bilden zu können. "Wir glauben, dass ein solches Bündnis eine Breite in der Gesellschaft hat, die es wirklich möglich macht, das Land in den nächsten Jahren zu modernisieren", sagte Laschet nach dem ersten Sondierungsgespräch der Union mit den Grünen am Dienstag. Man habe sich in guter Atmosphäre mit den Grünen ausgetauscht. Die Gegensätze seien überwindbar. "Es gab viele Punkte, wo man sich gut angenähert hat. Ich glaube, der wichtigste und weitreichendste ist das Thema Klima", betonte CSU-Chef Markus Söder. An anderen Punkten gebe es dagegen "noch eine Menge Gesprächsbedarf", etwa bei der Migration. Dennoch sehe er eine "große Chance", gemeinsam mit Grünen und FDP regieren zu können.

Deutlich zurückhaltender äußerten sich am Dienstagmittag die Grünen. Man habe "konstruktiv und sachlich" miteinander gesprochen, sagte die Parteivorsitzende Annalena Baerbock. Allerdings stünden gerade im gesellschaftspolitischen Bereich Union und Grüne "eher weiter auseinander". Grünenchef Robert Habeck nannte den Austausch mit der Union "intensiv und sehr konzentriert". Sowohl Grüne als auch FDP wollen am Mittwoch beraten, wie es nun weitergeht.

Ob dann als erstes ein rot-grün-gelbes Ampel-Bündnis ausgelotet wird oder eine Jamaika-Koalition mit der Union, wollen die Grünen nicht im Alleingang beschließen. Ihre Partei strebe an, mit der FDP "zu einer gemeinsamen Entscheidung" zu kommen, sagte Baerbock. Die FDP neigte bisher zu einer Jamaika-Koalition, die Grünen zu einer Ampel.

Auch aus dem Gespräch mit den Grünen hat jemand geplaudert

Eine neuerliche Indiskretion hat die Hoffnung der Liberalen auf eine unionsgeführte Regierung allerdings am Dienstagnachmittag erheblich eingetrübt. Nachdem bereits am Montagabend Details aus einem Gespräch der Union mit der FDP bekanntgeworden waren, obwohl für die Sondierungen strikte Vertraulichkeit vereinbart wurde, veröffentlichte Bild am Dienstagnachmittag erneut vertrauliche Inhalte, diesmal aus dem Treffen zwischen Union und Grünen. Demnach sei es zwischen den Parteien zu deutlichen Differenzen gekommen, etwa bei der Aufweichung des EU-Stabilitätspakts, bei Staatsbürgerschaftsrecht und Seenotrettung, aber auch bei der Einwanderungspolitik und dem Termin für einen Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor.

Der erneute Vertrauensbruch dürfte Laschets Annäherungsversuche an Grüne und FDP weiter erschweren. "Schön ist es nicht", hatte der CDU-Chef unmittelbar nach dem Treffen mit den Grünen erklärt. "Aber die Ernsthaftigkeit der Lage war heute das Dominierende in unserem Gespräch." Nachdem kurz darauf zum zweiten Mal aus einer vertraulichen Sitzung berichtet wurde, sinken nun die Chancen für ein Jamaika-Bündnis weiter. Grünenchef Habeck wollte mögliche Machtkämpfe in der Union und die innere Aufstellung anderer Parteien nicht kommentieren. Ganz allgemein gelte, dass eine Regierung gut funktioniere, "wenn die Autorität innerhalb der Parteien klar gesetzt ist", sagte er nur.

Zur SZ-Startseite
Ampel, Jamaika, Kenia - mögliche Koalitionen nach der Wahl

SZ PlusMeinungSondierung
:Abschied von Jamaika

Die Union ist nicht einmal zum ordentlichen Umgang mit sich selbst geschweige denn mit ihrem Kanzlerkandidaten in der Lage. In diesem Zustand ist sie weder anderen Parteien noch dem Land als Koalitionär zuzumuten. Das müsste die FDP nun erkannt haben.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: