Regierung - Lübeck:Mauerfall-Jubiläum: Schwesig mahnt starke Demokratie an

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Dassow/Lübeck (dpa/mv) - Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat zum 30. Mauerfall-Jubiläum an die Menschen appelliert, das Erbe der Friedlichen Revolution zu wahren und die errungenen Freiheiten zu verteidigen. "Die Mutigen, die im Herbst 1989 auf die Straße gegangen sind, haben Meinungsfreiheit und Demokratie für uns erkämpft. Die Neugierigen, die sich am 9. November 1989 auf den Weg in den Westen gemacht haben, wollten Grenzen überwinden, keine neuen Grenzen ziehen", sagte die Schweriner Regierungschefin am Samstag bei einer Festveranstaltung in Dassow (Nordwestmecklenburg), mit der die Landesregierung an das historische Ereignis der Grenzöffnung erinnerte.

Am Nachmittag feierten mehr als 1000 Menschen im nahegelegenen Lübeck-Schlutup den Mauerfall vor 30 Jahren. Viele der Gäste waren Augenzeugen der Grenzöffnung am späten Abend des 9. Novembers und erinnerten sich nun gemeinsam mit ehemaligen DDR-Bürgern, die damals über Schlutup erstmals in den Westen gefahren waren, an die turbulenten Tage.

Der Mauerfall sei den vielen mutigen Bürgern im Osten Deutschlands zu verdanken, die trotz drohender Repressalien durch das SED-Regime für Demokratie und Freiheit auf die Straße gegangen seien, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der gemeinsam mit Schwesig auch das Grenzmuseum besuchte. "Ohne diesen Einsatz der Menschen in Ostdeutschland hätte es die Wiedervereinigung nie gegeben. Auch daran sollten wir heute denken."

Schwesig rief in ihrer Rede vor rund 300 Gästen in Dassow die Zeit unbändiger Freude nach dem unverhofften Fall der Mauer in Erinnerung. "Es waren Tage voller Begeisterung, voller Hoffnung, voll ungläubigen Staunens. Verrückte, unvergessliche Tage", sagte die Regierungschefin, sparte aber auch die für viele schmerzhaften Erfahrungen in den Jahren danach nicht aus. "Alle, die sich im Herbst '89 auf den Weg gemacht haben, mussten ihr Leben neu einrichten und die Regeln einer anderen Gesellschaft lernen. Das ging nicht ohne Verletzungen und Enttäuschungen", sagte sie. Zum Teil gravierende Lohnlücken zum Westen und unterschiedliches Rentenrecht sorgten bis heute vielfach für Unzufriedenheit.

Insgesamt aber sei die Entwicklung seit 1990 eindeutig positiv verlaufen. "Die Menschen in Ostdeutschland haben eine gewaltige Aufbauleistung vollbracht, die Anerkennung und Respekt verdient", sagte Schwesig. So sei auch Mecklenburg-Vorpommern heute ein Land, in dem die Menschen gern leben. Grundlage dafür seien ein respektvoller Umgang miteinander und eine stabile Demokratie.

Aufgabe der politisch Handelnden sei es, in der Vielfalt der Meinungen einen Weg zu finden, auf dem möglichst viele mitgehen können. "Das ist es, was Demokratie stark macht", sagte die Ministerpräsidentin. "Wir können unterschiedlicher Meinung sein und sollten doch fair und respektvoll miteinander umgehen", sagte sie und wandte sich damit gegen Tendenzen von Ausgrenzung, Diffamierung und mangelnden Respekt. Offenheit für den Austausch sei ein wesentlicher Teil der Friedlichen Revolution gewesen.

Parallel zum Festakt in Dassow beging die CDU Mecklenburg-Vorpommerns das Mauerfall-Jubiläum in Zarrentin am Schaalsee zusammen mit den CDU-Landesverbänden von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg. "Die Mauer wurde von Ost nach West umgekippt. Die Ostdeutschen hatten es aus eigener Kraft geschafft, sich eines Regimes zu entledigen, das sie nicht verstehen wollte", sagte Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Landeschef Vincent Kokert, der das Treffen in der Grenzregion initiiert hatte. Der Mauerfall vor 30 Jahren sei der "Anfang vom Ende des Unrechtsregimes" gewesen.

Als Festredner äußerte Ex-Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) den Wunsch, dass 30 Jahre nach dem Fall der Mauer in Deutschland wieder mehr Optimismus und mehr Vertrauen in das Machbare einziehen sollten. Doch räumte er auch ein, dass Versprechungen und Erwartungen nach 1990 in Ost wie West zu hoch gewesen seien. Dies sei ein Grund für den Unmut, den es teilweise im Osten gebe. Die deutsche Einheit aber sei "alles in allem ein Erfolg und eine großartige Leistung gerade auch der Ostdeutschen".

Die Kirchen im Norden erinnerten mit einem ökumenischen Gottesdienst im Dom zu Ratzeburg an die friedliche Revolution und den Fall der Mauer. Nach den Worten der Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, führte der friedliche Einsatz für Demokratie und Menschenrechte im Herbst 1989 zur Überwindung von Unterdrückung, von Unrecht und Unfreiheit.

Wie Politiker zuvor in Dassow und Schlutup verwies auch sie auf eine "Ambivalenz dieses Gedenktages". Denn der 9. November stehe auch für die Pogrome 1938. "Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens wurden erniedrigt, geschlagen, verfolgt, gejagt und ermordet. Millionenfaches Morden und Töten in deutschem Namen über Jahre hinweg nahm seinen brutalen Anfang", sagte Kühnbaum-Schmidt. Sie rief dazu auf, gegen Hass, Hetze und Rassismus aufzustehen und in Worten und Taten Solidarität und Verbundenheit mit den Angegriffenen zu zeigen.

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