Süddeutsche Zeitung

Regierung in Hamburg zerbricht:Aus für Schwarz-Grün an der Alster

Das erste schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene ist gescheitert: Die Grünen in Hamburg haben die Koalition mit der CDU aufgekündigt. "Wir streben Neuwahlen an", sagte Fraktionschef Jens Kerstan.

Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg steht vor dem Aus. Die Grün-Alternative-Liste (GAL), der Hamburger Landesverband von Bündnis90/Die Grünen, will das Bündnis mit der Union beenden. "Wir streben Neuwahlen an", sagte Fraktionschef Jens Kerstan am Sonntag in Hamburg. 100 Tage nach dem Rücktritt des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust und dem Wechsel zu Christoph Ahlhaus (beide CDU) müsse die Partei feststellen, "dass dieser Neustart nicht gelungen ist".

Damit ist die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene gescheitert. Bereits am 13. Dezember soll eine Landesmitgliederversammlung mit einem entsprechenden Beschluss das Aus besiegeln. Zwei Tage später soll die Bürgerschaft über einen entsprechenden Antrag abstimmen. Neuwahlen könnten laut GAL am 20. Februar stattfinden. Grünen-Landeschefin Katharina Fegebank betonte: "Wir schließen keine Koalition aus."

Hamburg ist das erste und bislang einzige Bündnis dieser Art auf Länderebene. "Der gemeinsame Geist und die große Verlässlichkeit, die diese Koalition bis zum Sommer getragen haben, sind verflogen", sagte Fegebank. Sie fügte hinzu: "Für einen weiteren Neustart sehen wir keine Chance, weil es keine hinreichenden Gemeinsamkeiten mehr gibt, eine gute Regierungsarbeit für Hamburg zu leisten."

Am Samstag hatten sich die Grünen zu einer regulären Klausurtagung getroffen. Doch statt dort das Tagesgeschäft zu besprechen, beklagten sich die Parteimitglieder in der 14-stündigen Sitzung ausführlich über den Koalitionspartner CDU. Zahlreiche Grüne äußerten offenbar den dringenden Wunsch, das Bündnis zu beenden.

Die entsprechenden Beschlüsse von Fraktion und Landesvorstand fielen dann einstimmig aus. "Wir sind überzeugt, dass Neuwahlen das ehrlichste Angebot an die Stadt sind", sagte Fegebank. Nach Angaben der Grünen wurde Bürgermeister Ahlhaus am Sonntag über die Entwicklung informiert. "Er hat das zur Kenntnis genommen", sagte Bildungssenatorin Christa Goetsch. "Die Abstimmungen und Absprachen waren nicht mehr belastbar. So kann man nicht regieren", sagte sie.

Die politische Lage an der Alster hatte sich in der vergangenen Woche zugespitzt, nachdem Finanzsenator Carsten Frigge zurückgetreten war. Gegen den CDU-Politiker wird seit Monaten wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue ermittelt. Der 47-Jährige soll in eine Finanzaffäre der rheinland-pfälzischen Christdemokraten verwickelt sein. Er bestreitet die Vorwürfe - doch der Tatverdacht hat sich bislang nicht entkräftet.

Fünf Rücktritte innerhalb weniger Monate

Frigges Abgang ist bereits der fünfte Rücktritt eines Senatsmitglieds innerhalb weniger Monate: Nachdem Ole von Beust, der das schwarz-grüne Bündnis an der Alster geschmiedet hatte, im Sommer zurückgetreten war, legten auch die Senatorin Karin von Weck (parteilos) und Senator Axel Gedaschko (CDU) ihre Ämter nieder.

Beust galt lange Zeit als Garant des Bündnisses. Nach dem Rücktritt des Christdemokraten hatte sich die GAL zwar mehrheitlich entschlossen, dessen Nachfolger Ahlhaus zu unterstützen. Viele GAL-Mitglieder hätten aber bereits diese Gelegenheit gerne zum Ausstieg aus dem Bündnis genutzt und hatten es lediglich als eine Koalition "auf Probe" angesehen.

Beusts Nachfolger Christoph Ahlhaus, der vor gut drei Monaten den langjährigen Amtsinhaber abgelöst hatte, konnte offenbar nie das Vetrauen des grünen Koalitionspartners gewinnen. Zu belastend war der harte Sparkurs, den er der Hansestadt verordnet hatte: 510 Millionen Euro hatte er als Ziel angegeben - um diesen Betrag müsse der Hamburger Haushalt strukturell, also grundsätzlich, reduziert werden.

Ahlhaus' Kultursenator Reinhard Stuth (CDU) drohte daraufhin dem Altonaer Museum mit der Schließung und dem renommierten Deutschen Schauspielhaus mit drastischen Kürzungen. Nach lautstarken Protesten sowohl des Koalitionspartners als auch der Hamburger Bürger sind die Einschnitte nun zwar nicht so drastisch wie ursprünglich angekündigt, doch die Querelen hatten die Koalition nachhaltig zerrüttet.

Noch belastender für Schwarz-Grün waren jedoch die Vorgänge um die HSH Nordbank und ihren Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher: Die Affären halten Hamburg seit Monaten in Atem, es geht dabei um die Bespitzelung von Bankvorständen, vermeintlich untergeschobene Kinderpornos in New York und um Razzien bei der von der HSH beauftragten Überwachungsfirma Prevent.

Bereits Anfang November hatten die Hamburger Grünen damit gedroht, die Koalition platzen zu lassen, wenn sich die CDU weiterhin hinter den umstrittenen Vorstandschef stellen würde: "Alles andere als eine Entlassung von Nonnenmacher werden wir im Senat nicht akzeptieren", hatte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jens Kerstan damals gesagt. Die unglücklichen Umstände des Rücktritts von Carsten Frigge hatten zusätzlich zu den Vorgängen um Nonnenmacher offenbar bei den Grünen das Fass zum Überlaufen gebracht.

"Neuwahlen sind logische Konsequenz"

Die SPD Hamburg forderte am Sonntag rasch Neuwahlen in der Hansestadt. Die Legitimationsgrundlage für diese Koalition sei dahin, sagte SPD-Chef Olaf Scholz. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Michael Neumann, betonte: "Dieser Senat ist nicht handlungsfähig, dieser Senat ist nicht handlungswillig." Statt erst 2012 könnte bereits im März kommenden Jahres gewählt werden.

Der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs teilte mit, der frühere Bundesarbeitsminister Scholz solle Spitzenkandidat der Partei bei der bevorstehenden Neuwahl werden. "Es gibt eine klare Ansage: Scholz ist es", sagte er der Financial Times Deutschland. "Scholz hat als Senator und Bundesminister gezeigt, dass er führen kann", so Kahrs.

Die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir begrüßten die Entscheidung der Hamburger Grünen, aus der Regierung mit der CDU auszusteigen. Die Entscheidung sei konsequent und richtig, teilten sie in Berlin mit. "Wenn die gemeinsame Vertrauensgrundlage in dieser Koalition verloren gegangen ist, sind Neuwahlen die logische Konsequenz."

Seit dem Rücktritt von Ole von Beust als Bürgermeister sei die "Entfremdung" beider Koalitionspartner immer deutlicher spürbar geworden. "Mit zu vielen personellen Querelen und einem inhaltlichen Abrücken von vereinbarten Zielen hat die CDU die Fortsetzung des Bündnisses unmöglich gemacht", erklärten die beiden Vorsitzenden.

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