Süddeutsche Zeitung

Regierung gegen Kinderpornographie:Kabinett des guten Willens

Nach monatelangen Debatten hat sich die Bundesregierung darauf geeinigt, die Bekämpfung von Kinderporno-Seiten im Internet zu verschärfen. Wirtschaftsminister Guttenberg hat bereits einen Gesetzentwurf angekündigt.

Das Bundeskabinett hat nach mehrmonatigen Debatten eine härtere Bekämpfung von Kinderporno-Seiten im Internet beschlossen. Die Bundesregierung will nach einem Kabinettsbeschluss den Zugang zu Kinderporno-Seiten erschweren, die auf Servern im Ausland liegen.

"Wir wollen nicht länger tolerieren, dass die Vergewaltigung von Kindern massenhaft im Internet in Deutschland abrufbar ist, und deshalb die Sperrung dieser Seiten einleiten", sagte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) nach der Kabinettssitzung.

Nach dem Kabinettsbeschluss hat Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angekündigt, noch am Mittwoch einen Gesetzentwurf vorzulegen. Er sei der festen Überzeugung, dass eine gesetzliche Regelung noch vor der Bundestagswahl möglich sei, wenn alle beteiligten Ressorts konstruktiv zusammenarbeiten, sagte Guttenberg nach Ministeriumsangaben.

Ziel des Gesetzentwurfes ist es, den kommerziellen Massenmarkt empfindlich zu stören und ein gesellschaftliches Signal zur Ächtung von Kinderpornographie zu setzen. Alle deutschen Anbieter von Internetzugängen sollen verpflichtet werden, den Zugang zu Kinderporno-Seiten zu erschweren.

Den Nutzern soll klargemacht werden, warum der Zugang blockiert wird. Gleichzeitig wird eine Informations- und Beschwerdestelle eingerichtet. Darauf wird auf einer "Stopp-Seite", auf die der Nutzer automatisch umgeleitet wird, hingewiesen. Sehr vage bleiben die Eckpunkte beim Eingriff in Grundrechte und andere Gesetze.

Diese müssten geprüft werden, heißt es. Außerdem müsse die beste technische Lösung erst noch gefunden werden. Von der Leyen rechnet jedoch nicht damit, dass ein Gesetz noch vor der Bundestagswahl verabschiedet werden kann.

Familienministerin von der Leyen hatte zuvor erklärt, 75 Prozent der Internetanbieter seien willens, einen Vertrag über die Sperrung derartiger Seiten mit der Bundesregierung abzuschließen. Der Rest werde notfalls über ein Gesetz dazu gezwungen. Es werde voraussichtlich drei bis sechs Monate dauern, bis die technischen Voraussetzungen gegeben seien. Im Wirtschaftsministerium seien die Vorarbeiten bereits angelaufen.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat den Kabinettsbeschluss zur Sperrung von Kinderpornoseiten im Internet begrüßt. Gleichzeitig forderte er Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) auf, "jetzt ihren Widerstand gegen schnelle Vereinbarungen mit den Internetprovidern" aufzugeben.

Mit dem im Kabinett verabschiedeten Eckpunktepapier sei "die nötige Voraussetzung geschaffen worden, um eine schnelle gesetzliche Lösung zum Schutz unserer Kinder zu erreichen", sagte Pofalla. Bis dahin dürfe der Kampf gegen Kinderpornografie jedoch nicht ruhen. Ziel müsse sein, den Urhebern derartigen Bildmaterials die Arbeit so schwer wie nur irgend möglich zu machen.

"Ein Weg ist, das Internet als Plattform für Kinderpornografie so weit wie möglich auszuschalten", betonte Pofalla. Deshalb müsse es schnell zu einer Vereinbarung mit den Internetprovidern kommen.

Zweifel hat indes der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech hat Zweifel. Der CDU-Politiker sagte in Stuttgart, er habe die Vermutung, dass gesetzliche Verbote wenig ausrichten könnten. Der Minister brachte internationale Standards zu einem Vorgehen gegen Kinderpornografie ins Spiel. Nähere Angaben dazu machte er aber nicht.

Die SPD-Fraktion macht indes Druck bei der geplanten Sperrung von Kinderpornografie im Internet. Man werde kurzfristig ein Gesetz vorlegen, das Grundlage für eine verfassungskonforme und wirksame Lösung sein werde, erklärten die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christel Humme und die familienpolitische Sprecherin Caren Marks in Berlin. "Gegen diese abscheulichen Verbrechen müssen wir auf allen Ebenen entschieden vorgehen. Dazu gehört auch, Kinderpornografie im Internet wirksam zu bekämpfen", bekräftigten die beiden SPD-Politikerinnen.

Die meisten Fotos und Filme werden laut Bundeskriminalamt (BKA) über kommerzielle Webseiten verbreitet, die damit Millionenumsätze machen. Kontakt und Handel spielen sich vor allem in Tauschbörsen ab.

Die Darstellungsweise wird immer brutaler, und die Opfer werden immer jünger: 80 Prozent sind jünger als zehn Jahre, 30 Prozent sogar unter zwei Jahre alt. Zunehmend zeigen die Bilder sogar schweren Missbrauch von Kindern unter sechs Jahren. Die Bilderflut macht eine Kontrolle kaum möglich.

Die Zahl der ermittelten Fälle ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Wurden 2005 laut Kriminalstatistik bundesweit 3788 Fälle der Verbreitung von Kinderpornographie registriert, waren es 2007 bereits 11.357.

Oft werden die Behörden nur durch Hinweise von Internet-Providern und Surfern aufmerksam. Dazu kommen Funde bei Stichproben. Die Ermittler verfolgen digitale Spuren oder werten beschlagnahmte Adressenlisten und Kreditkartennummern aus.

Die Abnehmer von Kinderpornographie finden sich nach BKA-Angaben in allen sozialen Schichten. In der Mehrzahl sind es Männer mittleren Alters, die über genug Zeit und Geld verfügen. Nach Hochrechnungen des Bundesfamilienministeriums werden solche Seiten hierzulande 300.000 bis 400.000 Mal pro Tag angeklickt. Deutschland ist damit einer der Hauptabsatzmärkte.

Für Verbreitung, Erwerb und Besitz von Kinderpornographie drohen in Deutschland bis zu fünf Jahre Haft. Nach einer 2008 in Kraft getretenen Gesetzesverschärfung erfüllt auch das aufreizende Zurschaustellen der Genitalien von Kindern den Tatbestand der Kinderpornographie. Schon das bloße Abrufen von Kinderporno-Seiten kann bestraft werden. Zudem wurde das sogenannte Schutzalter möglicher Opfer von 16 auf 18 Jahre erhöht.

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