Regierung - Düsseldorf:Laschet: Coronavirus ist nicht auf null zu bringen

Corona
Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, spricht bei einer Pressekonferenz. Foto: Marcel Kusch/dpa-POOL/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat die Bevölkerung auf ein andauerndes Leben mit dem Coronavirus eingestimmt. "Wir werden den Umgang mit der Pandemie lernen müssen, den Umgang mit dem Virus lernen müssen", sagte der CDU-Bundesvorsitzende am Donnerstag in einer Unterrichtung des Landtags in Düsseldorf. "Die Ideen, es auf null zu bringen, sind nicht realistisch." Mit diesem Wissen und weiterer Vorsicht könne man aber trotzdem "in vielen Bereichen zurück ins Leben kommen", so Laschet. Das sei das "gute Signal" der Ministerpräsidentenkonferenz vom Mittwoch.

Nach mehr als neunstündigen Verhandlungen hatten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länder-Regierungschefs eine neue Teststrategie, mehr Tempo bei den Impfungen und stufenweise Öffnungen mit eingebauter Notbremse vereinbart. Die Opposition im NRW-Landtag nannte die Bund-Länder-Beschlüsse kompliziert, schwer verständlich und widersprüchlich.

Es gebe nun einen "Perspektivwechsel" im Kampf gegen die Pandemie, sagte Laschet. "Jetzt ist nicht mehr die reine Inzidenzzahl das Kriterium." Zugleich mahnte Laschet zur Vorsicht. "Wir laufen einen Kampf mit der Zeit", damit sich nach der britischen Mutante nicht noch weitere Varianten so schnell ausbreiteten, dass man nicht nachkomme.

Bei den angekündigten Corona-Schnelltests für die Bevölkerung will die CDU/FDP-Landesregierung Tempo machen. Am Samstag werde das Kabinett in einer Sondersitzung über die Teststrategie beraten, sagte Laschet. Es sei "eine riesige logistische Aufgabe", in allen Kitas, Schulen und vielen Betrieben eine Test-Infrastruktur aufzubauen. "Das ist ein gigantisches Unternehmen, was Land und Kommunen jetzt hier leisten müssen".

Gleichzeitig müsse das Impftempo beschleunigt werden. "Wir müssen jede Minute nutzen, denn jeder Geimpfte ist ein Risiko weniger", sagte Laschet. Bis Ende März werde der Engpass bei den Impfstofflieferungen überwunden sein. Ab Anfang April würden dann Haus- und Betriebsärzte in die Impfungen einbezogen. Das Durchimpfen der Bewohner in Alten- und Pflegeheimen hat nach den Worten Laschets bereits enorme Wirkung gezeigt. Während im vergangenen Dezember noch 5265 Pflegeheimbewohner mit dem Coronavirus infiziert gewesen seien, seien es aktuell nur noch 468.

Bei der digitalen Nachverfolgung der Kontakte werde am Montag die Entscheidung über eine bundeseinheitliche App gefällt, die in allen Ländern zum Einsatz kommen solle, sagte Laschet.

Laschet stellte weitere Öffnungen ab Montag in Aussicht. Auch Terminshopping im Einzelhandel werde möglich sein. Museen, Galerien, Zoos könnten mit Terminbuchung besucht werden. Wenn alle Kinder demnächst einmal die Woche getestet würden, dann könnten auch bis zu 20 Kinder im Alter bis 14 Jahren draußen miteinander spielen. "Nach diesen Monaten lechzen viele Kinder danach, wieder mal draußen an der frischen Luft mit anderen zusammenzukommen." Bundesweit waren auch Öffnungen von Buchläden, Blumenläden und Gartencentern verabredet worden.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen unter der Marke 100 liegt. Die Sieben-Tage-Inzidenz in NRW lag am Donnerstag nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts bei 62,8 und damit niedriger als am Mittwoch (63,8). Der Märkische Kreis, Düren, Hagen und Solingen lagen bei der wichtigen Kennziffer noch über 100. Noch unklar ist, ob die Öffnungen ab 8. März auch für die Kreise und kreisfreien Städte gelten, die möglicherweise über der Marke von 100 liegen.

SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty kritisierte, die Bund-Länder-Beschlüsse läsen sich wie ein langer, komplizierter Beipackzettel für eine Medizin mit Risiken und Nebenwirkungen. "Nur, was man versteht, kann man auch umsetzen", mahnte der SPD-Fraktionschef.

Kutschaty forderte die zügige Rückkehr zum Unterricht für alle Schulkinder mithilfe umfangreicher Coronatests und Hygienemaßnahmen. Zwei Drittel der Schulkinder seien noch vom Präsenzunterricht in NRW ausgeschlossen. Er forderte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) auf, die weiteren Öffnungspläne umgehend vorzustellen.

Die Grünen warfen Land und Bund eine "Kehrtwende in der Corona-Politik" vor. Die Menschen aber seien den "Schlingerkurs der politisch Verantwortlichen leid", sagte Fraktionschefin Verena Schäffer. Sei Laschet Anfang des Jahres noch der Mahner vor zu schnellen Lockerungen gewesen, "so präsentiert er sich jetzt wieder einmal als Lockerer". Angesichts fehlender Teststrategie, stagnierender oder sogar steigender Neuinfektionszahlen und des langsamen Impfens sei es unbegreiflich, wie man auf breite Öffnungen setzen könne, sagte Schäffer.

Der CDU-Koalitionspartner FDP forderte bessere Perspektiven für Handel, Gastronomie und Hotellerie. Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) betonte aber, dank NRW und Laschet sei es zu einem "grundlegenden Paradigmenwechsel" im Kampf gegen die Pandemie gekommen. "Die noch vor drei Wochen "massiv propagierte, akademische, aber völlig unpraktikable No-Covid-Strategie ist abgelöst worden von einem Ansatz, der akzeptiert, dass wir mit diesem Virus noch länger leben müssen."

Die AfD forderte umfassendere Öffnungen als jetzt beschlossen. Alle Sportaktivitäten im Freien, Sportplätze, Zoos müssten unverzüglich geöffnet werden, sagte der AfD-Abgeordnete Christian Loose. Das was die Ministerpräsidentenkonferenz ausgearbeitet habe, sei "so irre wie das, was bisher schon galt". Die Beschlüsse seien voller Widersprüche, vor allem was die Öffnung von Geschäften angehe. "Es geht nicht mehr um Sinn und Verstand oder um Grundrechte, sondern darum, wie kann ich das dem Wähler verkaufen", sagte Loose mit Blick auf die anstehenden Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

© dpa-infocom, dpa:210304-99-683470/3

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