Ein amerikanischer Präsident kann dem Kongress nicht öffentlich sagen, dass der ihn mal kreuzweise kann. Aber er hat Mittel und Wege, das Parlament eben dies wissen zu lassen. Einer dieser Wege ist eine gezielt gestreute Geschichte in einer großen Zeitung - etwa so wie jener große Artikel in der Freitagsausgabe der New York Times, in der anonyme, aber offenbar wichtige und gut informierte Mitarbeiter des Weißen Hauses ankündigen durften, wie der Demokrat Barack Obama dem künftig von den Republikanern beherrschten Kongress demnächst ans Schienbein zu treten gedenkt, und zwar mit voller Wucht.
Dem Bericht zufolge will Obama per Erlass einen großen Teil der illegal in den USA lebenden Einwanderer - die Rede ist von bis zu fünf Millionen Menschen - vor einer Abschiebung schützen. Mehreren Millionen Illegalen soll es ermöglicht werden, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Vor allem Immigranten, deren Kinder in den USA geboren wurden und die damit amerikanische Staatsbürger sind, sollen die neuen Regeln zugutekommen. Viele Details des Erlasses sind noch unbekannt, doch wenn die in der Times skizzierten Umrisse stimmen, wäre das die größte Einwanderungsreform seit Jahrzehnten.
Der größte Schwachpunkt: Der Präsident (also der Chef der Exekutive) würde am Kongress (der Legislative) vorbei regieren. Das ist möglich. Die Einwanderungsgesetze kann Obama zwar nicht gegen den Willen des Parlaments ändern, aber dafür die Umsetzungsbestimmungen. In einer Demokratie, in der eine klare Gewaltenteilung herrscht, ist das freilich ein politisch heikles Vorgehen.
Nirgendwo liegen die Parteien so weit auseinander wie bei der Einwanderung
Aber es ist wohl auch die Blaupause für die letzten beiden Amtsjahre, die Obama noch bleiben. Sowohl das Abgeordnetenhaus als auch der Senat werden bis 2016 in republikanischer Hand sein, und die Konservativen werden dem Liberalen im Weißen Haus kaum größere Erfolge gönnen wollen. Zumal die inhaltlichen Positionen der Parteien weit auseinanderliegen, zum Beispiel bei einem Thema wie der Einwanderung. Während die Demokraten das Los der im Land lebenden Illegalen verbessern wollen, fordern die Republikaner vor allem eine bessere Absicherung der US-Südgrenze. Eine "Amnestie" für illegal Eingereiste, wie Obama sie per Erlass gewähren könnte, lehnen sie strikt ab.
Entsprechend harsch fielen die Warnungen der Republikaner aus, als Obama nach der Niederlage bei der Kongresswahl Anfang des Monats zum ersten Mal ankündigte, den Einwanderungsstreit per Dekret zu beenden. Das war eine Kriegserklärung an die Republikaner. Durch den Artikel in der Times legte das Weiße Haus nun nach. Die republikanische Kongressspitze antwortete, man werde "mit Zähnen und Klauen" gegen Obama kämpfen.