Regensburg: Reaktion auf Nazi-Vergleich:Das Opfer: die Kirche

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Mit seinem Nazi-Vergleich hat Regensburgs Bischof Müller nicht nur bei Journalisten bundesweit Empörung ausgelöst. Nun versucht das Bistum zu retten, was zu retten ist - und flüchtet sich erneut in die Opferrolle.

Erst der Zentralrat der Juden, dann Journalisten - und schließlich auch Kirchen-Vertreter: Mit seinem gewagten Nazi-Vergleich löste der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller bundesweit Empörung aus.

Müller hatte am Wochenende in einer Predigt den Medien wegen der Art ihrer Berichterstattung über Missbrauchsfälle eine "Kampagne gegen die Kirche" vorgeworfen und die Berichterstattung in die Nähe der kirchenfeindlichen Haltung der Nationalsozialisten gerückt.

Es werde "gefaucht und gezischt gegen die Kirche", monierte Müller. "Die Leute, die vorm Fernsehen sitzen, die Zeitung aufschlagen", würden "manipuliert durch zurechtgestutzte und verkürzte Berichte, durch ständige Wiederholungen von Vorgängen aus alter Zeit".

Er forderte die Menschen auf, "Reife des Glaubens zu haben, nicht auf all diese Schalmeien wie 1941 hereinzufallen".

Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, zeigte sich entsetzt und sprach von "Geschichtsfälschung". Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) war nicht weniger aufgebracht und kritisierte die Medienschelte "als skandalöse Polemik" und fordert eine Entschuldigung. Es sei die Aufgabe von Journalisten, kritisch über die Missbrauchsfälle durch Geistliche zu berichten, sagte die stellvertretende DJV-Vorsitzende Ulrike Kaiser. "Bischof Müller polemisiert gegen die Überbringer der schlechten Nachrichten und versucht so offenbar, von den Fakten abzulenken."

Der Vorsitzende des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Alois Glück, sagte im Bayerischen Rundfunk (BR), Müllers Verhalten helfe nicht weiter, "sondern führt dazu, dass der eine oder andere den Eindruck hat, dass es in der Kirche Kräfte gibt, die letztlich keine Aufklärung wollen".

Auch Kurienkardinal Walter Kasper distanzierte sich von der Predigt Müllers. Die Kirche solle jetzt "nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern wir sollen unser eigenes Haus in Ordnung bringen, und dann können es andere auch tun", sagte Kasper, wie der BR berichtete.

Das Bistum versucht nun zu retten was zu retten ist - und stellt die Kirche erneut als Opfer der Medien dar. Müller habe nie die Medienberichterstattung zu den Missbrauchsfällen mit der kirchenfeindlichen Haltung des NS-Regimes verglichen. Dies sei "eine fälschende Verzerrung der Aussagen" des Bischofs.

Bischof Müller habe sich in der Vergangenheit wiederholt und mit großer Deutlichkeit gegen die Gräueltaten des Nationalsozialismus und deren Verharmlosung ausgesprochen, hieß es. So habe er mehrmals öffentlich ein Verbot der NPD gefordert und dem Traditionalistenbischof Richard Williamson nach dessen Holocaust-Leugnung Hausverbot für die ganze Diözese erteilt.

© sueddeutsche.de/ddp/bay/dpa/vbe/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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