Regeln anderer Länder:Ohne Hemmungen

Viele westliche Staaten spionieren jenseits ihrer Grenzen nahezu ungebremst. Eine Ausnahme bilden die Niederlande.

Von Ronen Steinke

Jeder ist sich selbst der Nächste, so lautet in der Welt der Geheimdienste das oberste Prinzip. Die eigenen Inländer genießen - womöglich - gesetzlichen Schutz, ihre Privatsphäre kann nicht ohne Weiteres ausgeforscht werden. Bei Ausländern dagegen sind die Hemmungen geringer und die rechtlichen Hürden oft gar nicht vorhanden. Für die Spione sind sie rechtlos. Deutschland, wo der Bundesnachrichtendienst gewisse Rücksichten auf EU-Bürger, aber nicht auf andere Ausländer nehmen muss, steht damit in einer Reihe mit anderen westlichen Demokratien.

In den USA ist den Geheimdiensten die Überwachung von Ausländern ohne Einschränkungen erlaubt. Der vierte Verfassungszusatz schützt die Bürger vor willkürlichen Durchsuchungen, was auch als Schutz vor Überwachung interpretiert wird - aber nur die Bürger. Die Überwachung im Ausland wird nicht durch Gesetze und Gerichte, sondern lediglich per Präsidialdekret geregelt. Der in den 1970er-Jahren geschaffene Foreign Intelligence Surveillance Court bekommt die Namen der zu überwachenden Ausländer lediglich zur Kenntnis vorgelegt. Die Richter können dies dann lesen - und schweigen. Das hat nach den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden zu großer Kritik geführt, die Folge war während der Amtszeit von Barack Obama ein neues Präsidialdekret, das wolkig versprach, auch Ausländern mit "Respekt" zu begegnen.

In Frankreich ist der Auslandsgeheimdienst DGSE insgesamt nur sehr schwach an rechtliche Vorgaben gebunden, trotz der vielen Skandale der Vergangenheit - etwa des Bombenanschlags französischer Agenten auf das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior im Jahr 1985, durch den ein Mensch ertrank - genügen dem Mutterland der Menschenrechte bis heute ein paar dürre Sätze im Gesetzbuch Code de la Défense. Zu den Rechten von Ausländern findet man dort nichts. Stattdessen reicht es für die Überwachung von Nichtfranzosen aus, wenn das Büro des Premierministers in Paris die Überwachung anordnet, weil dies im nationalen Interesse sei.

Großbritannien hat erst vor drei Jahren seine Dienste mit großer Geste reformiert, seither wacht ein Gremium aus langgedienten Richtern über die Arbeit des Abhördienstes GCHQ, der oberste Kontrolleur trägt den Titel Investigatory Powers Commissioner. Aber die Geheimdienste haben trotzdem weiterhin leichtes Spiel, sofern es um "overseas data" geht, also um die Überwachung von Menschen überall auf dem Globus mit Ausnahme der britischen Inseln. Dann muss der Geheimdienst sich lediglich auf recht allgemein gefasste Zwecke berufen können, die Förderung der eigenen außenpolitischen Interessen zum Beispiel. Der Investigatory Powers Commissioner kann dem nur bei offensichtlicher Willkür widersprechen.

Eine interessante Ausnahme bilden die Niederlande. Dort hat die Regierung vor Kurzem entschieden, Inländer und Ausländer gegenüber ihren Geheimdiensten gleichzustellen - Hintergrund war der politische Druck durch ein Referendum gegen Massenüberwachung im Jahr 2017, das Bürgerrechtsaktivisten als ihren Sieg feierten. Andererseits kann der Auslandsnachrichtendienst AIVD nun auch im Inland unter denselben Voraussetzungen Bürger überwachen. Es zählt nur noch der Zweck der Überwachungsmaßnahme, nicht mehr die Nationalität.

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