Reformen in Peking:China lockert Ein-Kind-Politik

Der Nationale Volkskongress Chinas hat zwei wichtige Beschlüsse gefasst. Zum einen wird die umstrittene Ein-Kind-Politik gelockert, und auch die Umerziehungslager werden nach mehr als 50 Jahren abgeschafft. Kritikern gehen die Reformen allerdings nicht weit genug.

Der Ständige Ausschuss des chinesischen Nationalen Volkskongresses hat offiziell eine Lockerung der Ein-Kind-Politik und die Abschaffung der Umerziehungslager beschlossen. Das meldete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua zum Abschluss der sechstägigen Beratungen des Parlamentsgremiums.

Der Ständige Ausschuss stimmte den Plänen der Regierung zu, die Ein-Kind-Politik an die demographische Entwicklung anzupassen. Diese Politik, wonach Paare im bevölkerungsreichsten Land der Erde nur in wenigen Ausnahmen mehr als ein Kind bekommen dürfen, besteht seit den 1970er Jahren. Nach Angaben von Xinhua dürfen Paare nun ein zweites Kind bekommen, wenn ein Elternteil ein Einzelkind ist. Bislang galt diese Ausnahme nur, wenn beide Elternteile Einzelkinder sind.

Die Ein-Kind-Politik wurde bislang häufig mit brutalen Mitteln durchgesetzt, es gibt Berichte über erzwungene Spätabtreibungen und Zwangssterilisation. Mit der Lockerung der bisherigen Regeln will Peking dem Problem der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft und der selektiven Abtreibung weiblicher Föten entgegenwirken.

Ohne Prozess im Arbeitslager

Auch die umstrittenen Arbeitslager wird es in Zukunft nicht mehr geben. Das System der Lager war 1957 eingeführt wurden. Es erlaubte der Polizei, Angeklagte ohne Prozess für bis zu vier Jahre in Arbeitslager zu stecken. Nach einem UN-Bericht waren bis 2009 rund 190.000 Chinesen betroffen. Xinhua hatte gemeldet, in den vergangenen Jahren seien andere Maßnahmen zur Durchsetzung von Gesetz und Ordnung eingeführt worden. Das System der Umerziehungslager habe daher "seine historische Mission" erfüllt.

Menschenrechtsaktivisten kritisierten immer wieder die Willkür bei den Einweisungen, von denen unter anderem Regierungskritiker und Verfasser von Petitionen betroffen sind. So wurde im vergangenen Jahr eine Mutter in ein Umerziehungslager geschickt, weil sie sich immer wieder an die Behörden wandte, nachdem ihre minderjährige Tochter entführt und zur Prostitution gezwungen worden war. Kritiker warnten unterdessen, dass es statt der Umerziehungslager künftig andere willkürliche Formen des Strafvollzugs geben werde.

Im November hatte das 376-köpfige Zentralkomitee der Kommunistischen Partei in Peking über Gesellschafts- und andere Wirtschaftsreformen beraten. Es war das dritte Plenum seit dem KP-Kongress vor gut einem Jahr, bei dem die neue Führungsriege um Staatschef Xi Jinping bestimmt worden war. Xi verfolgt seit seinem Amtsantritt im März eine Reihe von Reformen, die Kritikern aber nicht weit und nicht schnell genug vonstatten geht.

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