Süddeutsche Zeitung

Reformationsjahr:Luther schlägt Darth Vader

Als Spielfigur aus Plastik bricht der Reformator Verkaufsrekorde - und hat sogar schon seinen ersten Skandal überstanden.

Von Matthias Drobinski

Siebeneinhalb Zentimeter misst er, der Kleine. Hebt er die Bibel und die Schreibfeder, steht er ein bisschen unsicher, aber waren nicht auch dem großen Vorbild die Knie weich, auf dem Weg zum Reichstag in Worms, zum Kaiser Karl? Er hat große, braune Augen und lächelt; als Playmobil-Figur hat selbst der finsterste Pirat große Augen und lächelt. Das nimmt dem kleinen Martin Luther die Strenge, die der große hatte; die Identifikation bleibt spielerisch und uneindeutig. Wer ihn ins Regal stellt, muss nicht "Ein feste Burg ist unser Gott" auswendig singen können, aber er zeigt: Luther ist irgendwie cool.

Das ist wohl auch der Grund für den Erfolg des Kleinen. Dazu kommt, dass er im Zehnerpack für 23,90 Euro zu kaufen ist und damit eines dieser praktischen Kleingeschenke, die den Beschenkten zu nichts verpflichten und bei ihm daheim keinen Platz fressen. Kein evangelisches Kirchentreffen, keine Luther-Veranstaltung ohne Playmobilfiguren-Geschenk. In der vergangenen Woche wurde Martin Luther Nummer 750 000 verkauft, noch nie hat eine Playmobil-Figur diese Zahl geschafft, nicht mal Darth Vader. "Das ging einfach durch die Decke", sagt Yvonne Coulin, die Geschäftsführerin der Nürnberger Tourismus-Zentrale.

Sie hatte 2015 die Idee - die Luther-Figur sollte ein gemeinsames Maskottchen jener Luther-Städte werden, in denen der Reformator war und wirkte. 2012 hatte sie gemeinsam mit dem fränkischen Spielzeughersteller eine Albrecht-Dürer-Figur entwickelt, die schon recht gut lief. 34 000 Luther-Figuren hatten dann die Tourismus-Manager und die evangelische Kirche in Bayern beim Verkaufsstart auf Lager. Binnen 72 Stunden waren sie weg, der Plastik-Reformator wurde zum Objekt des Schwarzmarktes.

Mittlerweile läuft der Nachschub. Und der kleine Luther hat auch schon seinen ersten Skandal überstanden. Auf der Bibel, die er in der Hand hält, stand links "Bücher des Alten Testaments ENDE" - und rechts: "Das Neue Testament übersetzt von Doktor Martin Luther". Verkündete der kleine Luther das Ende der hebräischen Bibel, des Alten Testaments? Micha Brumlik, der jüdische Erziehungswissenschaftler aus Frankfurt, sah das so und damit den Playmobil-Luther in der unseligen antijüdischen Tradition des großen Luther. Nun fehlt bei den aktuell produzierten Figuren das Wort "Ende" auf der linken Bibelseite, und alle sind ohne Ende zufrieden. Einen Playmobil-Papst gibt es übrigens nur in wenigen, handgefertigten Exemplaren.

Eines allerdings bleibt dem kleinen Reformator versagt: Er hat keine Frau - anders als der echte Martin Luther, der seine Katharina von Bora respektvoll "Herr Käthe" nannte. "Die Frage kommt öfters", sagt Coulin, "aber uns würde das zu viel." Als die bayerische evangelische Landeskirche fragte, zu welchen Bedingungen man eine Lutherin produzieren könne, hieß es, eine Abnahme von 25 000 Exemplaren müsse schon sein - weshalb man vorerst verzichtete. Wobei, wenn man den Erfolg des Mannes sieht: 25 000 kleine Lutherfrauen könnten schnell verkauft sein.

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Quelle:
SZ vom 04.04.2017
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