Reform des Ökostrom-Gesetzes:Gabriels Illusionstheater

Sigmar Gabriel

Verfügt über nahezu magische Kräfte: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Dass Wirtschaftsminister Gabriel die notwendige Reform des Ökostrom-Gesetzes in Rekordzeit vorgelegt hat, erinnert fast an schwarze Magie. Doch bei näherem Hinsehen fällt sie in sich zusammen. Am Ende könnte die Industrie nicht weniger, sondern mehr Entlastung erfahren.

Von Michael Bauchmüller

Sigmar Gabriel, man glaubt es kaum, verfügt über nahezu magische Kräfte. Binnen sechs Wochen hat der Bundeswirtschaftsminister eine "grundlegende Reform" des Ökostrom-Gesetzes herbeigezaubert, seit diesem Dienstag sogar in Übereinstimmung mit den Ländern. Doch die so tief greifende Reform ist Illusion, sie findet gar nicht statt. Im Kern bleibt fast alles beim Alten - was vielleicht auch erklärt, warum die Länder nun einverstanden sind. Großen Wandel wollten die ohnehin nicht. Hauptsache, der Rest der Republik durchschaut den Trick nicht.

Die Wahrheit ist: Gabriels Reform-Vorschläge, zumal nach den Modifizierungen durch die Länder, werden weder die Energiewende abwürgen noch massiv Kosten senken. Die Windenergie an Land wird zwar künftig gedeckelt; dies aber so großzügig, dass sie diesen Deckel kaum je erreichen wird. Und sollten doch einmal mehr Windräder errichtet werden, ist mitnichten der weitere Ausbau gestoppt - die Förderung sinkt nur leicht ab. Auch Windräder in weniger windigen Regionen können weiterhin gutes Geld verdienen.

Auch die neue Obergrenze für Meeres-Windparks ist eher eine optische Täuschung - sie entspricht nämlich ziemlich genau dem, was ohnehin geplant war. Bei der Solarenergie passiert so gut wie gar nichts. Einzig die Erzeugung von Strom aus Mais und Gülle, zunehmend ein ökologisches Problem, erschwert Gabriel - allerdings auf Intervention der Bauernfreunde Bayern und Thüringen nicht ganz so arg wie geplant. Die Branche atmet auf.

Des Vizekanzlers Vorstellung ist Erfolg und Misserfolg zugleich. Ein Erfolg, weil seine Pläne die Energiewende ganz sicher nicht gefährden, Investoren sogar wieder mehr Sicherheit geben. Nach den Kosten-Diskussionen und Forderungen der jüngeren Zeit war das alles andere als selbstverständlich. Nur: Exportfähig wird die deutsche Energiewende so noch nicht. Der Ökostrom-Ausbau bleibt abhängig von Subventionen, die politisch ausgehandelt werden; mit Markt hat das wenig zu tun.

Sinken werden die Strompreise ganz bestimmt nicht

Zwar schwebt in Gabriels Reformwerk auch die Idee, künftig neue Ökostrom-Projekte nur noch auszuschreiben, die Höhe der Förderung also im Wettbewerb festzulegen. Das entsprechende Gesetz aber soll erst 2017 erlassen werden, also knapp vor der nächsten Bundestagswahl. Wenn Gabriel das gelingt, ist er wirklich ein Zauberer.

Dem Verbraucher aber entsteht so der Eindruck, Gabriel habe im Kampf um stabile Strompreise eine Reform auf die Beine gestellt, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Paradoxerweise haben Grüne und Umweltverbände diesen Eindruck noch verstärkt: Seit Wochen beklagen sie das drohende Ende der Energiewende und eine Rückkehr zur Kohle, zuletzt schön zu betrachten anhand großer Anti-Gabriel-Installationen vor dem Kanzleramt. Es nährte den Verdacht, der Vizekanzler führe Schlimmes, ergo Weitreichendes im Schilde. Nun zeigt sich: Das glatte Gegenteil ist der Fall, in jeder Hinsicht.

Die Wirklichkeit allerdings wird irgendwann ans Licht kommen, etwa in Gestalt der Stromrechnung: Die Kosten der Energiewende werden vielleicht nicht so schnell und so stark steigen wie bisher. Sinken werden sie aber ganz gewiss nicht. Und das erst recht, wenn eine andere Illusion Gabriels zerplatzt: Jene nämlich, er müsse erbittert mit Brüssel um die Zukunft der deutschen Schwerindustrie ringen.

Noch am Mittwoch reiste er nach Brüssel, abermals kehrte er mit leeren Händen heim. Das klingt gar nicht gut - tatsächlich aber könnte die Industrie am Ende nicht weniger, sondern sogar mehr Entlastung erfahren. Das zumindest legen die jüngsten Brüsseler Entwürfe für die künftige Regelung nahe. Wer es zahlen müsste? Die übrigen Stromkunden. Und das wäre dann fast schon schwarze Magie.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: