Reform des Energiegesetzes:Altmaier bremst die Windräder

Zu schnell und zu teuer: So lautet das Urteil von Umweltminister Peter Altmaier zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Deshalb will er die Förderung für Windkraft- und Biomasse-Anlagen auslaufen lassen. Mit Ex-Minister Trittin streitet er über die Befreiung großer Unternehmen von der Öko-Umlage. Doch mit deren Details kennen sich Regierung wie Opposition erstaunlich schlecht aus.

Jannis Brühl, Berlin

Altmaier stellt Verfahrensvorschlag zur Neuregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vor

Änderung an "Haupt und Gliedern": Bundesumweltminister Peter Altmaier will das Erneuerbare-Energien-Gesetz reformieren.

(Foto: dapd)

Vorwürfe der "Verspargelung" der Landschaft kontert Peter Altmaier mit philosophischen Überlegungen über das Wesen der Maschinen: "Ich persönlich finde Windräder durchaus ästhetisch", sagt der Umweltminister im Innenhof seines Amtes in die Mikrofone. Jedes Rad habe seinen eigenen Charakter: "Manche sind eifrig, manche lethargisch, manche betreiben Arbeitsverweigerung."

Allerdings hat seine Leidenschaft für die Windenergie Grenzen. Ihr Ausbau und der anderer erneuerbarer Energieformen treibt die Umlage für erneuerbare Energien in die Höhe, die den Strom für Verbraucher teurer macht. Um diesen Ausbau zu drosseln, will Altmaier nun mit Wind- und Biomasse verfahren wie mit der Solarenergie: Die Förderung soll langsam auslaufen.

Das steht in den sieben Seiten, die er blättert und knickt, während er spricht. Es ist sein Vorschlag für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), den er an diesem Donnerstag vorstellt. (PDF) Das Gesetz will er an "Haupt und Gliedern" ändern, sagt er. Es ist seine Empfehlung, wie die Strompreise trotz Energiewende bezahlbar bleiben sollen. Wie er den Preis kurzfristig dämpfen will, der so vielen Verbrauchern Sorgen macht, verrät Altmaier aber nicht.

Der Minister will feste Quoten

Bei der Solarenergie, das ist bereits beschlossen, endet die Förderung, wenn die Anlagen die Leistung von 52 Gigawatt einspeisen können. Nun soll auch zwei andere Öko-Energieträger das Ende der großzügigen Unterstützung durch den Staat ereilen. Wie bei der Sonne will Altmaier auch bei Wind und Biomasse die Förderung deckeln und stufenweise verringern. Die Technologien sollen sich schneller selbst tragen können, das EEG solle sich stärker an "marktwirtschaftlichen Prinzipien" orientieren, sagt er.

Altmaier will feste Quoten. Zum Beispiel für die Frage, wo wie viele Windparks gebaut werden sollen. Zudem soll sich der Ausbau stärker danach richten, wo es Netze gibt, die den Strom aufnehmen können. Bislang geht der Ausbau so schnell voran, dass Altmaier das Ziel, bis 2020 insgesamt 35 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, auf 40 Prozent nach oben korrigieren kann. Derzeit sind es bereits 25 Prozent.

Dass Altmaier das EEG noch in dieser Legislaturperiode ändern wird, ist unwahrscheinlich, da macht sich der Umweltminister keine großen Hoffnungen. Das Papier warnt vor "Überhitzungen" wenn der Ausbau der Erneuerbaren zu hektisch und zu unkoordiniert voran gehe.

Bei Altmaiers Zeitplan ist eine Überhitzung hingegen ausgeschlossen. Der Minister treibt die Energiereform gemächlich voran.

Wer außer Töpfer?

In den kommenden sieben Monaten kommen die Beteiligten - Wirtschaft. Umweltverbände, Politik - erst einmal zu fünf Diskussionsrunden zusammen. Dieser "EEG-Dialog" soll Altmaier zufolge eine "öffentlichkeitswirksame Gesprächsreihe" werden. Erst danach werden die Ergebnisse des Dialogs mit den anderen Ressorts und der Opposition abgestimmt, auch im Bundestag muss eine Einigung erreicht werden.

Zudem will Altmaier eine "Beratergruppe" aus 20 "Persönlichkeiten" bilden. Zur Zusammensetzung will der Minister nichts sagen, auch nicht auf die spöttische Frage einer Journalistin, wer der Gruppe denn außer seinem omnipräsenten Vorgänger Klaus Töpfer noch angehören würde.

Trittin hantiert mit fraglicher Zahl

Zur Frage, wie die EEG-Umlage kurzfristig konkret begrenzt werden kann, steht nichts in dem Papier. Sie wird vermutlich von 3,6 auf mehr als 5 Cent je Kilowattstunde steigen. Genaue Zahlen werden die Betreiber der Übertragungsnetze am Montag vorlegen. So viel wollen die Deutschen nicht zahlen, auch wenn sie hinter der Energiewende stehen: Einer aktuellen Umfrage zufolge sind 74 Prozent der Meinung, der Ökoenergie-Ausbau werde zu einer sicheren Zukunft der nachfolgenden Generation beitragen. 51 Prozent finden eine Umlage von 5,3 Cent allerdings zu hoch.

In den vergangenen Tagen war der Druck auf Altmaier gestiegen: Die FDP fordert, Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer zu verwenden, um Bürger beim Strompreis zu entlasten. Die Grünen wollen dagegen, dass weniger Großunternehmen von der EEG-Umlage befreit werden und so die Umlage für alle anderen in die Höhe treiben.

In einem Bericht vom März hatte auch die Bundesnetzagentur Kritik an der Ausnahmeregel geübt: "Die aktuellen Regelungen implizieren, dass die privilegierten Unternehmen im Jahr 2012 zwar 18 Prozent des Gesamtstromverbrauches verursachen, aber lediglich 0,3 Prozent des gesamten Umlagebetrages tragen." (PDF) Das verursache höhere Kosten für Haushaltskunden und industrielle Kleinverbraucher.

738 oder 2000 befreite Unternehmen?

Jürgen Trittin ist als ehemaliger grüner Umweltminister für das EEG mitverantwortlich. Das erwähnt auch Altmaier gerne, wenn es um die umstrittenen Ausnahmen geht. Die entsprechende Regel stehe schließlich in dem rot-grünen Gesetz. Sie besagt, dass "stromintensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit hohem Stromverbrauch oder Schienenbahnen" von der Umlage befreit werden können, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Trittin verteidigt sich. Vor Altmaiers Auftritt an diesem Donnerstag lässt er wissen: In seiner Amtszeit seien 400 stromintensive Unternehmen befreit worden - mit dem Argument, sie müssten sich im internationalen Wettbewerb behaupten. Mittlerweile seien es jedoch über 2000.

Die Legende vom Golfplatz

Doch die Zahl, mit der Trittin in der Öffentlichkeit hantiert, ist mindestens fraglich. Das muss sein Büro auf Nachfrage von Süddeutsche.de einräumen. Aus Zahlen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle geht zwar hervor, dass sich bis zum Sommer dieses Jahres 2023 Unternehmen um eine Ausnahme für das Jahr 2013 beworben hatten. Ob sie tatsächlich befreit werden, darüber wird aber erst Ende Dezember entschieden, heißt es in der Behörde. Für 2012 sind lediglich 734 Unternehmen befreit.

Tatsächlich sprunghaft angestiegen ist die Zahl der Unternehmen, die von der Umlage befreit werden wollen - 2011 waren es lediglich 800. Darunter sind Wasserwerke, Tochterfirmen des Industriekonzerns ThyssenKrupp, aber auch Schlachtbetriebe. Für solche Unternehmen sei die Regelung nicht gedacht gewesen, argumentieren die Grünen. Altmaier sagt dazu an diesem Donnerstag: "Die Herausnahme einer einzelnen Hähnchenmast oder eines Golfplatzes senkt die Umlage nicht ernsthaft."

Auch Altmaier ist nicht wirklich gut informiert. Auf der Liste der EEG-befreiten Unternehmen findet sich gar kein Golfplatz.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: