Reform der Polizei:De Maizières Masterplan: Die Bundessuperpolizei

Thomas de Maizière leugnet, dass er ein deutsches FBI aufbaut - tut es aber dennoch. Bundespolizei und Bundeskriminalamt sollen zu einer Bundessuperpolizei zusammengelegt werden.

Heribert Prantl

Die Sternstunde der Bundespolizei war die "Aktion Feuerzauber", die Befreiung der entführten Lufthansa-Maschine Landshut. Das ist lange her, 33 Jahre. Damals hieß die Bundespolizei noch Bundesgrenzschutz. Aber der Ruf dieser Aktion hat sich auf die Bundespolizei übertragen. Das Wort Bundespolizei hat einen großen Klang, die Länderpolizei einen unverdient piefigen. Davon profitieren die aktuellen Pläne, Bundespolizei und Bundeskriminalamt zu einer Bundessuperpolizei zusammenzulegen.

Reform der Polizei: Im Reformpapier der Werthebach-Kommission werden für die neue Bundespolizei keine großen neuen Rechte gefordert. Die Planer vertrauen wohl auf die normative Kraft des Faktischen: Wenn einmal solch eine Super-Behörde etabliert ist, wird sie auch neue Kompetenzen an sich ziehen: Ein Bundespolizist am Flughafen Frankfurt.

Im Reformpapier der Werthebach-Kommission werden für die neue Bundespolizei keine großen neuen Rechte gefordert. Die Planer vertrauen wohl auf die normative Kraft des Faktischen: Wenn einmal solch eine Super-Behörde etabliert ist, wird sie auch neue Kompetenzen an sich ziehen: Ein Bundespolizist am Flughafen Frankfurt.

(Foto: AP)

Der Werthebach-Bericht, der diesen Vorschlag macht, enthält ansonsten eine Menge von Klein-Klein-Vorschlägen, die vom Bundesinnenministerium längst hätten verwirklicht werden können; dieses Versäumnis soll jetzt offenbar mit dem Ruf nach der großen Fusion überdeckt werden. Man braucht aber keine Fusion, um, beispielsweise, die "Sicherungsaufgaben" vom BKA auf die Bundespolizei zu übertragen. Derzeit sind es die teuren BKA-Beamten, die tagtäglich sichernd hinter Ministern und Staatssekretären herlaufen. Das hätte längst der Bundespolizei übertragen werden können.

Die Geschichte der Bundespolizei alias Bundesgrenzschutz ist die Geschichte des ständigen Ausbaus von Kompetenzen, die mit den Notstandsgesetzen von 1968 begann: Der Bundesgrenzschutz übernahm den Küstenschutz und den Objektschutz von Bundeseigentum, er wurde zur Begleitung von Demonstrationen herangezogen; das war für die Länder praktisch, effektiv und preiswert. Also hatten sie fürs Erste nichts dagegen. Als aber nach dem Wegfall der innerdeutschen Grenze und dem Abbau der Binnengrenzen in der EU der Grenzschutz Kapazitäten frei hatte, übernahm der Bund flugs die Bahnpolizei sowie die Sicherung der Flughäfen und des Flugverkehrs. Der damalige Bundesinnnenminister Otto Schily ließ 2005 ein umfängliches Gesetz schreiben, das etwas machte, was auch jedes Computerprogramm auf Knopfdruck kann: In 136 Gesetzen und Verordnungen wurde das Wort "Bundesgrenzschutz" durch "Bundespolizei" ersetzt. Damit war, ohne große Änderung der Rechtslage, ein kompetenzsaugendes Wort geboren.

Seitdem also gibt es eine Bundespolizei, obwohl das Grundgesetz klipp und klar sagt: Die Polizei ist Ländersache. Ursprünglich waren Bundesgrenzschutz und Bundeskriminalamt nur ausnahmsweise zuständig, für Sonderaufgaben und zur Unterstützung der Länder. Doch die Ausnahmen wurden immer zahlreicher. Das lag und liegt am Terrorismus: In der Zeit der RAF, unter dem Präsidenten Horst Herold, wuchs das BKA zu einer eindrucksvollen Polizeibehörde mit Weltruf; und in der Zeit des islamistischen Terrorismus ging die Bundespolizei (alias Bundesgrenzschutz) auf wie ein Hefeteig. Mit gewisser Zwangsläufigkeit rutschten immer mehr Kompetenzen zur Bundespolizei. Der Fusions-Plan der Werthebach- Kommission liegt auf dieser Linie. Er gibt der Superpolizei nicht große neue Kompetenzen. Aber die Planer vertrauen auf die normative Kraft des Faktischen: Wenn einmal so eine Superpolizei etabliert ist, wird sie auch neue Kompetenzen an sich ziehen.

Wenn der Vorschlag der großen Fusion leise und ohne Trara gemacht wird, liegt das daran, dass Werthebach und der Bundesinnenminister den Rat aus Schillers "Lied von der Glocke" beherzigen: "Gefährlich ist's, den Leu zu wecken / Verderblich ist des Tigers Zahn." Der Leu - das sind in diesem Fall die Bundesländer, deren Zorn nicht gereizt werden soll. Und des Tigers Zahn - das ist das Bundesverfassungsgericht. Es hat in einer Entscheidung vom 28. Januar 1998 betont, dass der Bundesgrenzschutz und das BKA nicht zu einer allgemeinen, mit den Landespolizeien konkurrierenden Bundespolizei ausgebaut werden dürfen. BKA und Bundespolizei müssen, so Karlsruhe, ihr "Gepräge" als Polizei mit begrenzten Aufgaben behalten.

Kein Wort vom "deutschen FBI"

Wenn Minister Thomas de Maiziére der Fusion jetzt zwar zustimmt, aber das Wort von einem "deutschen FBI" nicht in den Mund nehmen will, so liegt das an diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben, an denen man sich gleichwohl vorbeischleichen will. Das ergibt sich aus den Darlegungen der Werthebach-Kommission. An der Stelle ihres Berichts, an der von den positiven Effekten der großen Fusion die Rede ist, heißt es: "Die globalen Herausforderungen der Zukunft erfordern in besonderer Weise einen flexiblen Personaleinsatz; die Bundespolizei (neu) könnte in beinah allen Bereichen der Kriminalitätsbekämpfung tätig werden." In beinah allen Bereichen der Kriminalitätsbekämpfung - das ist ohne Grundgesetzänderung mit der Verfassung nicht vereinbar. Das BKA ist derzeit originär in erster Linie für die Terrorbekämpfung zuständig, ansonsten Dienstleister für die Länderpolizeien. Und die Bundespolizei ist derzeit Schutzpolizei mit räumlich sehr eingeschränktem Wirkungskreis.

Dass der Aufbau einer Bundespolizei in der Öffentlichkeit eher wohlwollend begleitet wird, hat mit der eingangs genannten Sternstunde der Bundespolizei zu tun. Die GSG 9 befreite die von Terroristen entführte Lufthansa-Maschine Landshut. In Polizeikreisen kennt man seitdem den Spruch: Hätten Terroristen nicht die Landshut nach Mogadischu, sondern eine Maschine namens Mogadischu nach Landshut entführt, wäre die Sache womöglich nicht so gut ausgegangen. Dann wäre nämlich, das steckt hinter diesem Sarkasmus, nicht der Bund, sondern das Land zuständig gewesen. Die Landespolizei aber hatte bei den Olympischen Spielen von 1972 in München versagt, als ein Terrorkommando israelische Sportler als Geiseln genommen hatte.

Der kriminalistische Spott auf die Länderpolizei ist ungerecht. 1972 gab es weder auf Bundes- noch auf Landesebene Spezialeinheiten. Und der misslungene Zugriff von 1972 hat dann nicht nur zur Gründung der GSG 9 auf Bundesebene geführt, sondern auch zur Aufstellung von Sondereinsatzkommandos auf Länderebene. Und bei einem Ernstfall im Inneren hängt der Einsatz der GSG 9 nicht davon ab, ob Polizeikompetenzen auf die Bundesebene übertragen worden sind. Die GSG 9 kann auch im Wege der Amtshilfe ohne Schwierigkeiten angefordert werden.

Die Überlagerung der Polizeikompetenzen von Bund und Ländern wird mit 50.000 Beamten in einer Bundessuperpolizei nicht beseitigt, sondern eher noch verschärft. Kluge Koordination verlangt Akribie, nicht FBI.

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