Reform des Sozialsystems:Bundestag beschließt Bürgergeld

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Bundestag.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verteidigt das Bürgergeld gegen Kritik der Oppositionsparteien.

(Foto: MICHELE TANTUSSI/REUTERS)

Mit ihrer Mehrheit setzt sich die Ampelkoalition im Streit um eine Reform von Hartz IV im Bundestag durch. Am Montag muss das sogenannte Bürgergeld, das im Januar in Kraft treten soll, noch durch den Bundesrat. Dort will es die Union blockieren.

Von Laurenz Gehrke

Nach rund anderthalb Stunden Debatte haben die Parteien der Ampelkoalition am Donnerstagmorgen im Bundestag einen Gesetzesentwurf zur Reform des Sozialsystems verabschiedet. Unter dem als Bürgergeld bekannten neuen Modell sind höhere Regelsätze vorgesehen, sowie mildere Sanktionen für Bürgergeldempfänger, auch wenn diese noch keine neue Arbeitsstelle angetreten haben. Vor allem letzteres empfinden die Unionsparteien als Anreiz, sich auf Staatskosten zu entspannen. Sie drohen daher, den Vorstoß der Regierung im Bundesrat zu blockieren.

Abgegeben wurden 679 Stimmen, davon 385 für den Bürgergeld-Gesetzesentwurf. Durch das komplizierte Abstimmungsverfahren herrschte zunächst Verwirrung, und es stellte sich nur langsam Jubel auf den Rängen der Ampel-Parteien ein, als das Ergebnis verkündet wurde. 261 Abgeordnete stimmten mit "Nein" und 33 enthielten sich - nicht genug, um das Gesetz aufzuhalten, das nun in den Bundesrat weitergegeben wird. Die Ampel hält an dem Wunsch fest, den Entwurf so wie er ist bis Jahreswechsel zum Gesetz zu machen, doch die Opposition hat andere Pläne.

"Es geht darum, dass Menschen, die in existentielle Not geraten sind, verlässlich und so unbürokratisch wie möglich abgesichert werden", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Eröffnung der Debatte vor der Abstimmung. "Aber das reicht uns nicht. Wir wollen nicht nur Schutz geben in Zeiten der Not, wir wollen Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben geben", fügte er hinzu. Weniger Druck der Jobcenter sei mittelfristig zielführender, da Langzeitarbeitslose zum Beispiel Berufsabschlüsse nachholen könnten, statt Hilfsjobs annehmen zu müssen, so das Argument der Ampelkoalition.

Union kritisiert Ansatz als zu großzügig

In seiner Antwort auf den Bundesarbeitsminister kritisierte Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe am Gesetzesentwurf vor allem ein geplantes Schonvermögen von €150 000, über das eine "Bedarfsgemeinschaft mit zwei Kindern" verfügen dürfen soll, und dabei trotzdem für Bürgergeldzahlungen in Frage kommen. "Die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann von einem solchen Vermögen nur träumen", so Gröhe, der der Linie seiner Fraktion folgte und das geplante Bürgergeld als verschwenderisch und voller Fehlanreize darstellte.

Britta Haßelmann, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, ging in ihrer Rede CDU-Chef Merz an, der in den vergangenen Wochen das Bürgergeld immer wieder als schlechte und teure Idee abgetan und mit einer Art bedingungslosem Grundeinkommen verglichen hatte, das sich der Staat nicht leisten könne. "Eine solche soziale Kälte in Krisenzeiten - kaum zu ertragen und verantwortungslos", so Haßelmann. "Aber hier im Parlament kneift er heute. Es ist auch einfacher, Interviews zu geben, bei denen keiner widersprechen kann", sagte sie zu Merz' mangelnder Rede. Hätte er gesprochen, wäre sie mit ihm hingegen "scharf ins Gericht gegangen."

Der erste parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Johannes Vogel, warf Merz gar vor "alternative Fakten" zu verbreiten, indem er das erste halbe Jahr nach Beginn der Arbeitslosigkeit als "sechsmonatige sanktionsfreie Karenzzeit" bezeichnet habe. "Es gibt keine sanktionsfreien Zeiten im Bürgergeld, sondern 80 Prozent der Sanktionen werden auch in den ersten sechs Monaten weiter verhängt und danach sogar das volle verfassungsrechtlich mögliche Maße", insistierte Vogel, der eingestand, das sich die Grünen sich zwar etwas anderes gewünscht, sich damit aber nicht durchgesetzt hätten. "Wer etwas anderes verbreitet, der verbreitet Fake News", so Vogel.

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