Referendum zu EU-Vertrag:Iren stimmen Vertrag von Lissabon zu

Der EU-Vertrag von Lissabon ist bei der Volksabstimmung in Irland angenommen worden. 67,1 Prozent der Iren votierten für, nur 32,9 Prozent gegen das EU-Reformwerk.

Irland hat dem EU-Vertrag von Lissabon zugestimmt. Nach dem offiziellen Endergebnis votierten 67,1 Prozent für und 32,9 Prozent der Iren gegen das EU-Reformwerk. Das teilte der Wahlleiter am Samstag in Dublin mit. Die Wahlbeteiligung in der Neuauflage der Abstimmung lag bei 58 Prozent. Damit ist eine Krise der EU abgewendet.

Zuvor hatte schon Ministerpräsident Brian Cowen formell den Sieg für das Lager der Befürworter erklärt. "Die Iren haben mit klarer Stimme gesprochen. Es ist ein guter Tag für Irland und ein guter Tag für Europa", sagte der Ministerpräsident. Die Abstimmung sei "eine Willenserklärung, im Herzen Europas zu bleiben".

Bei einem ersten Referendum im Juni 2008 hatten die Iren den Vertrag noch mit 53 Prozent der Stimmen abgelehnt.

Der bekannte irische EU-Kritiker Declan Ganley räumte den Sieg der Unterstützer des Reformvertrages ein. "Das ist ein überzeugender Sieg", sagte Ganley bei einer Pressekonferenz im Wahlzentrum in Dublin. "Natürlich bin ich enttäuscht, ich glaube, wir haben einen Fehler gemacht", ergänzte der Vorsitzende der EU-skeptischen Partei Libertas.

Der Millionär hatte mit seiner teuren Kampagne gegen die EU im vergangenen Jahr maßgeblich zu der Ablehnung des Vertrages in der ersten Volksabstimmung beigetragen. Libertas engagierte sich dieses Mal nicht mehr so stark, nachdem Ganley bei der Europawahl im Juni keinen Sitz erobern konnte.

Der Vertrag von Lissabon soll die EU mit 27 Mitgliedstaaten handlungsfähiger und demokratischer machen und muss in jedem Land ratifiziert werden. Nur in Irland war dafür ein Referendum nötig, das im ersten Anlauf scheiterte.

Um diesmal eine Zustimmung zu erhalten, handelte die Regierung in Dublin mit Brüssel Zugeständnisse aus: So darf die militärische Neutralität des Landes ebensowenig angetastet werden wie das Steuerrecht und das irische Abtreibungsverbot. Zudem soll Irland seinen EU-Kommissar behalten.

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Reaktionen aus Deutschland

Mit Erleichterung hat die Bundesregierung auf die Zustimmung der Iren zur EU-Reform reagiert. Deutschland sei "sehr glücklich über den Ausgang des Referendums", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Samstag und sprach von einem "wichtigen Schritt auf dem Weg zum Lissabon-Vertrag". Sie beglückwünsche das irische Volk und ihren irischen Amtskollegen Brian Cowen.

Der scheidende Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bezeichnete das "Ja" der Iren im zweiten Anlauf als "sehr gute Nachricht für Irland, aber auch für Europa". In 25 der 27 EU-Mitgliedsstaaten sei der Weg für die Vertragsreform nun frei.

Steinmeier zeigte sich zuversichtlich, dass das irische Votum "eine starke Signalwirkung2 für die noch ausstehenden Ratifizierungen durch die Präsidenten Polens und Tschechiens haben werde: "Ich gehe davon aus, dass dieses Signal in beiden Ländern gehört wird und setze darauf, dass beide EU-Partner mit Blick auf ihre europapolitische Verantwortung jetzt für einen schnellen Abschluss der Ratifizierungen sorgen."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) lobte: "Der Stillstand ist überwunden. Jetzt kann es mit der weiteren Integration Europas vorangehen." Angesichts der großen Herausforderungen wie Weltwirtschaftskrise, Klimawandel und Terrorismus brauche Deutschland "nicht weniger, sondern mehr Europa", sagte der CDU-Politiker. "Die Bundesrepublik Deutschland als Teil der Vereinigten Staaten von Europa muss mit Blick auf die Zukunft unser Ziel sein."

Die Linkspartei erneuerte dagegen ihre Kritik am Kurs der EU. Der Vorsitzende der Linken im Europaparlament, Lothar Bisky, monierte, der Lissabon-Vertrag stehe für eine Politik der Liberalisierung von Finanzmärkten, des Steuerwettbewerbs und des Rückbaus des Sozialstaates. Daneben erleichtere der Vertrag weltweite militärische Missionen und forciere eine "aggressive Durchsetzung europäischer Interessen."

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Reaktionen aus dem Ausland

Das Ja der Iren zum EU-Reformvertrag versetzte Europa nicht in Champagnerlaune. Zufrieden, aber auch nüchtern äußerten sich Europas Macher am Tag nach dem Referendum auf der grünen Insel. "Hocherfreut" nannte sich der amtierende EU-Ratspräsident und schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy sprach von einer "Wahl Europas", der EU-Korrespondent der Zeitung Irish Times, Jamie Smyth, von einem "historischen Tag für unser Land". Die EU-Kommissarin Margot Wallström spannte einen gewagten Bogen: 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs werde Europa mit dem neuen Vertrag "offener, transparenter, effizienter". Das war ein Pfeil in Richtung Prag. Denn dorthin richten sich nun alle Blicke: Irland war nur ein Etappensieg. Der tschechische Präsident Vaclav Klaus dürfte in den nächsten Wochen unter enormen Druck geraten.

Schon diesen Mittwoch wollen sich Barroso und Reinfeldt mit dem tschechischen Regierungschef Jan Fischer in Brüssel treffen, um eine gemeinsame Strategie für das renitente Prager Staatsoberhaupt auszuhecken. Und Polens Präsident Lech Kaczynski hat bereits angekündigt, nach dem irischen Ja zu unterschreiben. Damit zieren sich nur noch die Tschechen.

Klaus will mit der Unterzeichnung auf den Bescheid des Verfassungsgerichts warten, wo sein Verbündeter Jiri Oberfalzer Klage gegen den Vertrag eingereicht hat. Sollte die Prüfung der Richter und damit das Inkrafttreten des Reformwerks bis zu den britischen Wahlen im nächsten Sommer dauern, könnte der derzeitige konservative Oppositionsführer David Cameron als Wahlsieger die britische Ratifizierungsurkunde zurücknehmen und den Vertrag den euroskeptischen Briten in einem Referendum vorlegen, befürchten manche.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich zuversichtlich. "Er wird sich dem Vertrag am Ende nicht entgegenstellen." Und Camerons Avancen in Richtung Prag seien womöglich schlicht frühzeitiger Wahlkampf, hoffen EU-Diplomaten.

Zudem habe das tschechische Verfassungsgericht erklärt, die Beschwerde binnen eines Monats zu entscheiden, berichtet der CDU- Europaabgeordnete Elmar Brok. Auch entschieden die Richter bereits im November 2008, dass der Vertrag mit der tschechischen Verfassung im Einklang steht.

Nach acht Jahren Verhandlungsmarathon könnte die Union damit bald ihre Nabelschau beenden und sich den wichtigen Dingen zuwenden: dem Klimawandel, der EU-Erweiterung oder der Wirtschaftskrise.

Allerdings: Die tschechischen EU-Kritiker sind hartnäckig. "Mit dem Abkommen droht Europa ein Superstaat zu werden", wettert Oberfalzer. Es sind derlei Befürchtungen, mit denen Europa seit 2005 zu kämpfen hat, als die Franzosen in einem Referendum Non zur eigentlich geplanten EU-Verfassung sagten.

Daraufhin entschieden sich die EU-"Chefs" für den Reformvertrag, den sie in der portugiesischen Hauptstadt unterschrieben. Die wichtigsten Elemente wurden übernommen, aber das Wort "Verfassung" gestrichen. Denn Europa ist eben kein "Super-Staat", sondern ein Bündnis aus inzwischen 27 Ländern, das den Lissabon-Vertrag als neue Gebrauchsanleitung braucht.

So fällt in wichtigen Bereichen das Einstimmigkeitsprinzip bei Entscheidungen der Mitgliedstaaten weg - Beschlüsse sollen so schneller möglich sein. Mit einem EU-Präsidenten soll Europa auf internationalem Parkett mehr Gewicht bekommen. Und nicht zuletzt erhalten das Europäische und die nationalen Parlamente mehr Mitbestimmungs- und Aufsichtsrechte. Doch ob der Lissabon-Vertrag nun existenziell notwendig ist oder nicht: Mit den Iren haben Volksvertreter oder die Bevölkerung in allen 27 EU-Staaten dem Reformwerk zugestimmt. Dem dürften sich weder in Tschechien noch in Polen oder Großbritannien die Staats- oder Regierungschefs widersetzen.

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