Fast mit Zweidrittelmehrheit haben die Türken in Deutschland für das Präsidialsystem von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan gestimmt. 63,1 Prozent votierten beim Referendum mit "Ja", wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu nach Auszählung fast aller Stimmen aus dem Ausland meldet. Allerdings gingen in Deutschland nur 46,2 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl, wie der Staatsrundfunk TRT berichtet.
Nach den Zahlen von Anadolu stimmten insgesamt 59,2 Prozent der Wahlberechtigten im Ausland mit "Ja", im Inland waren es demnach 51,2 Prozent. Die Zahlen von Anadolu weichen leicht von denen der Wahlkommission ab. Insgesamt waren im Ausland etwa 2,9 Millionen Wahlberechtigte registriert, etwa die Hälfte davon in Deutschland. Auslandstürken machten etwa fünf Prozent aller Wahlberechtigten aus.
Bei den Türken in Österreich lag die Zustimmung mit 73,5 Prozent noch höher als in Deutschland. Auch in den Niederlanden konnten die Unterstützer des Präsidialsystems 71 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. Auf den höchsten Wert in Europa kam Belgien mit 75,1 Prozent "Ja"-Stimmen. In der Schweiz blieb das "Ja"-Lager dagegen mit 38 Prozent klar in der Minderheit. Besonders mit Deutschland und den Niederlanden gab es vor dem Referendum Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder. Erdoğan hatte beiden Ländern "Nazi-Methoden" vorgeworfen.
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Türkische Gemeinde zeigt sich enttäuscht und besorgt
Die Türkische Gemeinde in Deutschland äußerte sich besorgt darüber, dass hierzulande so viele Türken für die umstrittene Verfassungsreform gestimmt haben. "Wir - also die Parteien und Organisationen - müssen das Ergebnis genau analysieren und Wege finden, wie man diese Menschen besser erreicht, die in Deutschland in Freiheit leben, aber sich für die Menschen in der Türkei die Autokratie wünschen", sagte der Vorsitzende Gökay Sofuoğlu der Heilbronner Stimme und dem Mannheimer Morgen (Dienstagsausgaben). Die Türkische Gemeinde in Deutschland hat als Dachorganisation türkischer Verbände die "Nein"-Kampagne unterstützt.
Der Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft Milli Göruş (IGMG), Kemal Ergün, betonte, das türkische Volk habe in einer demokratischen Wahl entschieden. "Jetzt gilt es, diese Wahl zu respektieren und gemeinsam nach vorne zu schauen." Er wünsche sich, dass das Ergebnis "zur ersehnten politischen und gesellschaftlichen Harmonisierung" beitrage. Die IGMG ist die zweitgrößte muslimische Religionsgemeinschaft in Deutschland und gilt als äußerst konservativ.
Ergebnisse für einige deutsche Städte:
Daily Sabah, die größte englischsprachige Tageszeitung in der Türkei, listet für einzelne deutsche Städte die folgenden Wahlergebnisse auf. Sehr ähnliche Ergebnisse meldet Milliyet.
Berlin: Ja: 50,1% - Nein: 49,9%
Essen: Ja: 75,9% - Nein: 24,1%
Hamburg: Ja: 57% - Nein: 43%
Köln: Ja: 64% - Nein: 36%
München: Ja: 62,7% - Nein: 37,3%
Stuttgart: Ja: 66,3% - Nein: 33,7%