Süddeutsche Zeitung

Redenschreiber Jon Favreau:Der Mann hinter Obamas Worten

Bis zum Sommer lebte er noch in Wohngemeinschaften: Obamas Redenschreiber Jon Favreau ist der jüngste "Chief Speechwriter" aller Zeiten.

Christian Wernicke

Der Aufstieg des Jon Favreau zum obersten Redenschreiber der Nation ist atemberaubend. Und dieser 27-jährige Mann ist sensibel genug, dies noch selbst zu spüren. So wie vor acht Wochen, als Favreau aus seinem Büro geflohen war und Entspannung beim Joggen suchte.

Er war soeben auf Washingtons Mall angekommen, dem langen und geschichtsbeladenen Grünstreifen zwischen dem Kapitol und dem Lincoln Memorial, als ihm die Luft wegblieb. Favreau stoppte und ließ sich überwältigen von der Vorstellung, dass hier am 20.Januar zwei, vielleicht gar drei Millionen Menschen stehen und seinen Worten lauschen werden.

Sprechen wird allein Barack Obama, der 44. US-Präsident. Aber niemand hat seit Mitte November 2008 so unermüdlich an jeder Silbe von dessen Antrittsrede gefeilt wie Jon Favreau. Die Nation, ja die Welt erwartet gespannt, welches Motto Obama seiner Präsidentschaft wohl geben mag, wenn er an diesem Dienstag gleich nach dem Eid auf die Verfassung seine erste, etwa 20 Minuten lange Rede als amtierender Präsident anstimmen wird. Die Chancen stehen gut, dass die Zauberformel aus dem Laptop von Obamas jüngstem Vertrauten stammt.

Obamas Pressesprecher verbreiten zwar, ihr Chef habe sich seine Rede selbst geschrieben. Und das mag auch irgendwie stimmen - mindert dennoch nicht Favreaus Einfluss. Denn so arbeiten Obama und sein wichtigster Wortschmied nun schon seit fünf Jahren: Der Chef diktiert dem Schreiber seine Gedanken, Favreau entwirft ein Skript, das Obama wiederum redigiert.

Kenner dieses Zusammenspiels behaupten, eigentlich sei Obama - immerhin Autor zweier Bestseller - der bessere Schreiber. Das Talent des Jon Favreau aber ist, dass er mehr als andere spürt, wie Amerikas künftiger Präsident denkt. Und was genau er sagen will. "Jon ist völlig synchronisiert mit Obama, und er hat zu allem und jedem Zugang", vertraute neulich ein Kollege von Favreau der Washington Post an.

Begegnet sind sich die beiden das erste Mal im Juli 2004, beim Wahl-Parteitag der Demokraten in Boston. Favreau hatte gerade seinen Bachelor an einer katholischen Uni geschafft und war eher zufällig stellvertretender Redenschreiber im Stab des damaligen demokratischen Präsidentschafts-Kandidaten John Kerry geworden.

Kerry scheiterte, Favreau wurde arbeitslos, doch er war dem Senator aus Chicago aufgefallen. Und schon wenige Monate später heuerte Obama den arbeitslosen Novizen als Mitarbeiter seines Washingtoner Büros an. Favreau avancierte zum jüngsten aller "Chief Speechwriter" des Weißen Hauses.

Der neue Job verlangt ihm alles ab. Favreau ist kein Schnellschreiber, über der Antrittsrede brütete er nächtelang bei Espressi und Red Bull. Zudem darf er sein ganzes Leben neu ordnen.

Bis zum Sommer lebte er in Wohngemeinschaften, jetzt hat er sich sein eigenes Apartment gekauft. Und etliche Anzüge samt Krawatte: Die Zeiten, da er nur in Jeans und Pullis herumlaufen durfte, sind bei Dienstantritt am Mittwoch vorbei.

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SZ vom 20.01.2009/jkr
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