Rede zur Lage der Nation:Obamas später Traum

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US-Präsident Barack Obama während seiner Rede zur Lage der Nation im Kapitol (Foto: Larry Downing/Reuters)

Obamas "State of the Union Address" enthält eine wunderbare Botschaft, doch sie kommt zu spät. Der US-Präsident hat nur noch wenig Zeit, sein Versprechen von Wohlstand zu erfüllen. Er weiß, dass er dafür auf Konfrontationskurs mit dem Kongress gehen muss.

Ein Kommentar von Nicolas Richter, New York

Barack Obama kann noch gute Reden halten. Seine Ansprache am Dienstagabend im Kapitol erinnerte zum ersten Mal seit langem wieder an den früheren Wahlkämpfer und Wahlsieger Obama. Der Präsident zeigte sich optimistisch, ohne übermütig zu sein; kämpferisch, ohne bitter zu sein; präsidentiell, ohne abgehoben zu sein. Seine Rede war nicht mitreißend, aber doch oft bewegend, vor allem wenn der Präsident die Schicksale einzelner Amerikaner schilderte.

Im Kern stilisierte sich der Präsident zum Retter des amerikanischen Traums: Aufstieg und Wohlstand sollen wieder für mehr Menschen zu erreichen sein, der Staat soll dabei helfen. Das wäre eine wunderbare Botschaft im Jahr 2009, aber das Problem für Obama ist es, dass er diese Rede im Jahr 2014 gehalten hat: Er steht ja schon seit fünf Jahren in der Verantwortung.

Der Aufschwung dauert zwar an, aber viele Amerikaner spüren ihn nicht. Die Opposition im Parlament lässt nicht nach. Vor allem: Obama ist zwar seiner Agenda treu geblieben, aber er hat kaum neue Ideen. Er möchte seinem Land Hoffnung machen mit Vorschlägen, von denen die Amerikaner wissen, dass er sie vermutlich gar nicht durchsetzen kann.

Regieren per Dekret

Im Einzelnen enthielt die Ansprache vier wichtige Botschaften. Erstens: Wenn das Parlament sich verweigert, wird Obama es allein versuchen - per Dekret. Das soll wie eine Drohung klingen und ist es auch, allerdings ist auch nach der Rede nicht klar, wie viel Eigenmächtigkeit vom Präsidenten zu erwarten ist. Er hat zwar den Mindestlohn für eine kleine Gruppe von Arbeitern erhöht, allerdings offengelassen, welche Dekrete noch folgen könnten und wie weitreichend sie wären.

Zweitens: Obama hat die Hoffnung auf einen großen Wurf zur Reform der Einwanderungsgesetze nicht aufgegeben. Seinen Gegenspieler, den republikanischen Speaker John Boehner, lobte er sogar als Inbegriff des amerikanischen Traums. Er setzt offensichtlich darauf, dass er sich mit den Konservativen im Kongress doch noch auf ein Gesetz einigen kann, dass Millionen Illegalen doch noch zu einem legalen Status verhelfen könnte. Der Präsident, der sich einst als Versöhner sah, hofft noch immer auf eine Versöhnung - oder zumindest auf ein paar gemeinsame Interessen.

Drittens: Obama steht zu seiner Gesundheitsreform. Ihr misslungener Start und seine eigenen, gebrochenen Versprechen haben ihn zwar zuletzt viel Glaubwürdigkeit gekostet, aber er hofft nun offensichtlich, die Amerikaner doch noch zu überzeugen. Es ist auch ein Appell an seine Parteifreunde, die im Herbst bei der Parlamentswahl antreten müssen: Betont das Positive, erzählt von den Menschen, die geheilt werden, ohne deswegen pleitezugehen. Obama kann sich dieses Selbstbewusstsein umso mehr leisten, da seine republikanischen Widersacher auch am Dienstag keine einzige Alternative zu bieten hatten.

Bekenntnis zu Aussöhnung mit Iran

Viertens: Der Präsident ignorierte heikle Themen wie schärfere Waffengesetze oder NSA-Spionage zwar weitgehend, fand aber immerhin ein paar Worte zum Ausland. Sein neues Herzensanliegen ist der Ausgleich mit Iran. Sollte der Kongress neue Sanktionen verhängen und damit die Annäherung an Teheran gefährden, werde er sein Veto einlegen, sagte er. Obama hat dem Thema damit die Aufmerksamkeit gesichert, die es verdient. Es ist ein wichtiges Bekenntnis zur Diplomatie und gegen immer neue Konfrontation. In Teheran wird man es gehört haben.

Wenn Barack Obama heute, drei Jahre vor dem Ende seiner Amtszeit, den amerikanischen Traum beschwört, dann lädt er wohl niemanden mehr zum Träumen ein. Die Menschen kennen seine Agenda, sie kennen die Widerstände, sie kennen Versprechen, die Washington nicht halten kann. Allerdings hat der Präsident daran erinnert, dass ihm trotz aller Misserfolge im vergangenen Jahr noch ein paar Möglichkeiten bleiben.

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