Rede von Syriens Staatschef:Assad kündigt Referendum über Verfassung an

Lange hat Assad geschwiegen, nun stellt Syriens Präsident im Staatsfernsehen eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung in Aussicht. Doch es bleibt bei Minimalzugeständnissen an sein aufbegehrendes Volk: Gegenüber den Aufständischen zeigt sich Assad unnachgiebig - und propagiert den nahen Sieg des Regimes.

Erstmals seit Juni vergangenen Jahres hat sich Syriens Präsident Baschar al-Assad wieder in einer Ansprache an sein Volk gewandt: In einer im Staatsfernsehen übertragenen Rede kündigte der Regierungschef für Anfang März eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung an. Das Referendum werde in der ersten Märzwoche stattfinden, sagte Assad. Die bisherige Verfassung schreibt eine dominante Rolle von Assads Baath-Partei fest.

Der syrische Machthaber sieht sich seit März vergangenen Jahres massiven Protesten der Opposition ausgesetzt. Assad geht mit brutaler Härte gegen die Demonstranten vor, mehr als 5000 Menschen sollen laut UN-Angaben seit Beginn der Unruhen im Land getötet worden sein. Die syrische Führung spricht dagegen von Terroristen und bewaffneten Banden, die 2000 Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet haben sollen. Die Angaben sind kaum zu überprüfen, weil Syrien die meisten Korrespondenten des Landes verwiesen hat.

In der Rede an der Universität von Damaskus zeigte sich der Präsident unnachgiebig gegenüber den Aufständischen: Der Sieg sei nahe, wenn die Syrer standhaft blieben, sagte er.

Assad vermutet Verschwörung

Assads plötzliche Reformbereitschaft scheint vor allem Propagandazwecken zu dienen: Seine Vision für das Land werde sich nicht ändern, betonte der Präsident. Es gehe darum, Reformen umzusetzen, den Terrorismus konsequent zu bekämpfen und dabei nicht die Souveränität zu verlieren.

Den Aufstand gegen sein Regime bezeichnete Assad als Verschwörung ausländischer und regionaler Kräfte. Mit Sabotage und Zerstörung würde der friedliche Protest ausgenutzt und Angst verbreitet. Einen Rücktritt lehnte der Präsident kategorisch ab: Er werde die Verantwortung nicht abgeben, betonte Assad.

Die syrische Opposition erwartet, dass die Gewalt des Regimes gegen die Protestbewegung in den kommenden Wochen weiter zunehmen wird. Die Rede von Präsident Assad lasse Schlimmes befürchten, sagte der Vorsitzende des von der Opposition gewählten Syrischen Nationalrates, Burhan Ghalioun. "Das Ziel dieser Rede war es, vor der Arabischen Liga eine Rechtfertigung dafür zu finden, dass das Regime die Armee nicht abzieht und nicht mit den Beobachtern der Liga zusammenarbeitet", so Ghalioun weiter.

Die Sprecherin des Rates, Basma Kadmani, erklärte, das Regime zeige inzwischen Auflösungserscheinungen. Es sei aber schwer vorherzusagen, wie lange der Assad-Clan, der sich inzwischen nur noch auf die Sicherheitskräfte stütze, noch durchhalten werde. "Es gibt Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die gegen ihn sind, doch sie haben zu viel Angst, um an die Öffentlichkeit zu treten." Ghalioun sagte, die Tatsache, dass in den vergangenen Monaten kaum noch ein Regierungsmitglied Syrien verlassen habe, sei ein Beweis dafür, dass Assad inzwischen auch seinen Ministern misstraue.

Angriff auf Beobachter

Im Land kommt es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Oppositionellen und den Sicherheitskräften. Im Vorfeld von Assads Ansprache vermeldeten die Organisatoren der Massenproteste weitere Todesopfer: Angehörige der Sicherheitskräfte und Milizionäre hätten am Montag 32 Menschen getötet, darunter fünf desertierte Soldaten.

Weitere Todesopfer nach Assads Ansprache

Auch im weitern Tagesverlauf wurden weitere Todesfällen vermeldet: Syrische Sicherheitskräfte erschossen nach Angaben der Opposition am Dienstag zehn Demonstranten in der Stadt Deir al-Sor. Bei den Toten handle es sich um zumeist junge Männer, die friedlich gegen Präsident Baschar al-Assad demonstriert hätten, teilte die in London ansässige Syrische Beobachterstelle für Menschenrechte mit. In Homs sei zudem ein weiterer Mann erschossen worden.

SYRIA-POLITICS-UNREST-ASSAD

In seiner TV-Ansprache stellte Syriens Präsident Baschar al-Assad zwar ein Referendum über eine neue Verfassung in Aussicht - doch gegenüber den Demonstranten zeigte sich der Machthaber unnachgiebig.

(Foto: AFP)

Ratschläge aus anderen arabischen Staaten wies Assad in seiner Rede zurück. "Es ist, als ob Dir ein Arzt mit einer Zigarette in der Hand sagt, Du sollst nicht rauchen." Wie sollten Länder, die selbst immense Probleme hätten, Syrien Demokratie lehren, fragte der syrische Staatschef. Die Beobachter der Arabischen Liga ins Land zu holen, sei zudem seine eigene Idee gewesen.

Erst am Montag hatte die Arabische Liga bei einem Treffen in Kairo beschlossen, ihre Mission aufzustocken. Laut Abschlusserklärung wird die Zahl der derzeit 165 Beobachter vergrößert - auf Experten der Vereinten Nationen will die Liga jedoch verzichten.

Der Nachrichtensender "al-Arabija" meldete, Beobachter der Arabischen Liga seien am Montagabend in der Stadt Latakia von unbekannten Demonstranten angegriffen worden. Diese hätten auf das Auto der Beobachter geschossen. Unklar ist derzeit, ob es sich um oppositionelle Kräfte oder, wie es anderen Quellen zufolge heißt, um Kämpfer der regimetreuen Schabiha-Miliz gehandelt hat. Eine Bestätigung von unabhängiger Seite gab es für die Berichte nicht.

Die Arabische Liga verurteilte den Angriff und warf der syrischen Führung vor, die Beobachter nicht ausreichend zu schützen. Die Regierung in Damaskus habe damit ihre Pflichten ernsthaft verletzt, erklärte ein hochrangiger Vertreter der Beobachterdelegation.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: