Rede in Brüssel:US-Außenminister stellt internationale Ordnung infrage

Rede in Brüssel: "Die zentrale Frage, die wir uns heute stellen müssen ist: Funktioniert das System noch, so wie es heute ausgestaltet ist?" Das sagt Mike Pompeo, und die Antwort seines Chefs Trump darauf dürfte "Nein" lauten.

"Die zentrale Frage, die wir uns heute stellen müssen ist: Funktioniert das System noch, so wie es heute ausgestaltet ist?" Das sagt Mike Pompeo, und die Antwort seines Chefs Trump darauf dürfte "Nein" lauten.

(Foto: AFP)
  • US-Außenminister Pompeo kündigt in einer Rede an, die USA wollten das internationale System umbauen.
  • Scharfe Kritik äußerte er etwa an den Vereinten Nationen. Die Friedensmissionen funktionierten oft nicht, so Pompeo.
  • Über die Arbeit regionaler Organisationen äußerte er sich ebenfalls skeptisch, etwa über die Europäische Union.

Von Paul-Anton Krüger

US-Außenminister Mike Pompeo hat in einer Grundsatzrede vor dem German Marshall Fund in Brüssel die bestehende internationale Ordnung infrage gestellt. "Die zentrale Frage, die wir uns heute stellen müssen ist: Funktioniert das System noch, so wie es heute ausgestaltet ist?", fragte er. Zwar kündigte er keine konkreten Schritte an, doch machte er deutlich, dass Präsident Donald Trump diese Ordnung von amerikanischen Interessen geleitet umbauen und dafür international eine Führungsrolle einnehmen wolle.

Nur unter amerikanischer Führung sei es möglich, die Nationen der Welt zu vereinen. Amerika habe nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich dazu beigetragen, Europa und Japan wiederaufzubauen, neue Institutionen zu schaffen, Währungen zu stabilisieren und Handel zu fördern. Amerika habe die Nato mitgegründet, um seine Sicherheit und die seiner Verbündeten zu garantieren, sei Verträge eingegangen, um die westlichen Werte und die Freiheit zu kodifizieren. Gemeinsam habe man internationale Organisationen aufgebaut, um die westlichen Ideale zu bewahren.

Seitenhieb auf Europäer

Das habe der Welt den größten Wohlstand in der Geschichte gebracht, dem Westen den Sieg im Kalten Krieg und den Frieden. Allerdings habe man zugelassen, dass die internationale Ordnung nach dem Kalten Krieg zu korrodieren begann. Sie habe für Amerika an einigen Orten versagt und auch für die europäischen Staaten. "Multilateralismus wird heute zu oft als Selbstzweck gesehen", sagte er. "Je mehr Verträge wir schließen, desto sicherer sind wir angeblich, je mehr Bürokraten wir haben, desto besser wird der Job erledigt. Aber war das jemals wahr?"

Nicht jede Art von Multilateralismus sei per Definition wünschenswert, sagte er mit Blick auf Länder wie Iran, die Amerikas unilaterales Handeln kritisieren. Amerika nehme seine Führungsrolle wahr und vernachlässige nicht seine Freunde in der Welt. Als Beispiele nannte Pompeo die "Kampagne maximalen Drucks" gegenüber Nordkorea, die mehr als 100 Staaten zusammengebracht habe.

"Sogar einige unserer europäischen Freunde sagen manchmal, wir handelten nicht im Interesse der Welt. Das ist schlichtweg falsch!" Amerika wolle seine Souveränität ausüben, um die internationale Ordnung zu reformieren und rufe die Verbündeten dazu auf, es ihnen gleichzutun. Das Ziel sei, dass die internationale Ordnung den Menschen diene, nicht sie kontrolliere. Internationale Organisationen müssten Kooperation ermöglichen im Sinne der Sicherheit und der Werte der freien Welt oder "sie müssen reformiert oder abgeschafft werden".

Wenn Verträge gebrochen würden, müssten jene zur Rechenschaft gezogen werden, die dafür verantwortlich sind. "Worte müssen etwas bedeuten", sagte Pompeo. Verträge müssten angepasst oder aufgegeben werden. Die US-Regierung werde überholte und schädliche Verträge entweder neu verhandeln oder sie kündigen, Handelsverträge ebenso wie andere Abkommen, die nicht den amerikanischen Interessen dienten. Er nannte das Klimaabkommen und das Atomabkommen mit Iran sowie das Nafta-Freihandelsabkommen. Kein Abkommen entspreche auf unbegrenzte Zeit den Anforderungen.

Heftige Kritik an den Vereinten Nationen

Pompeo deklinierte Institutionen und Verträge durch, die nach Ansicht der amerikanischen Regierung ihren Zweck nicht mehr so erfüllen, wie von ihren Gründervätern erdacht, darunter die Vereinten Nationen, die ja maßgeblich ein amerikanisches Projekt waren. Auch stellte er erneut klar, dass die USA verhindern werden, dass der Internationale Strafgerichtshof amerikanische Bürger verfolge. Er stellte die Gegner der freiheitlichen westlichen Ordnung an den Pranger: China und Russland, Iran und Nordkorea. Um dann die außenpolitischen Initiativen Trumps als bessere Lösung zu präsentieren.

Den UN hielt er vor, ihre Friedensmissionen dauerten Jahrzehnte, ohne dem Frieden näherzukommen, die Klimaschutzvereinbarungen würden von einigen Ländern - darunter die USA - schlicht als Vehikel gesehen, Wohlstand umzuverteilen. Er kritisierte weiter die "institutionalisierte Voreingenommenheit" gegenüber Israel und die Tatsache, dass Staaten wie Kuba oder Venezuela dem UN-Menschenrechtsrat angehörten. Er fragte, ob die UN, die als Organisation gegründet wurden, die friedliebende Staaten willkommen heiße, diesem Ziel noch diene. "Ich frage: Erfüllt sie diese Aufgaben heute noch in Treue?"

Die EU und ihre Vorläufer hätten großen Wohlstand für Europa gebracht und Handel, von dem auch die USA in großem Maße profitierten. Aber der Brexit sei ein politischer Weckruf. "Stellt die EU sicher, dass die Interessen ihrer Bürger über jene von Bürokraten hier in Brüssel gestellt werden?" Das seien ernstzunehmende Fragen. Ähnliche Kritik äußerte er an der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und der Afrikanischen Union (AU). Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank seien zum Wiederaufbau kriegszerstörter Gebiete gegründet worden. Heute dienten sie Ländern, die ihre Wirtschaft schlecht gemanagt hätten.

Andere Akteure hätten die Vorteile der bestehenden Ordnung für eigene Zwecke ausgenutzt, und Präsident Trump sei entschlossen, dem ein Ende zu machen. Chinas wirtschaftliche Entwicklung habe nicht Demokratie und regionale Stabilität gebracht, sondern mehr politische Repression und regionale Provokationen. China habe die Handelsordnung ausgenutzt und setze heute darauf, dass die Weltöffentlichkeit paralysiert sei angesichts der Menschenrechtsverletzungen.

Iran habe nach dem Abschluss des Atomabkommens sich nicht wieder der Gemeinschaft der Nationen angeschlossen, sondern seinen neuen Reichtum genutzt, um Terroristen und Diktatoren zu unterstützen. Teheran verletze UN-Resolutionen, belüge die Internationale Atomenergiebehörde und teste entgegen UN-Resolutionen Raketen.

Russland sei in die "souveränen Länder Georgien und Ukraine einmarschiert", habe einen Nervenkampfstoff auf europäischem Boden eingesetzt und damit die Chemiewaffenkonvention verletzt und ebenso den INF-Vertrag über das Verbot von Mittelstreckenwaffen.

Amerika setze dem in seiner Sicherheitsstrategie "prinzipienbasierten Realismus" entgegen und frage immer nach den Interessen des Landes und der Bürger. Nichts könne den Nationalstaat als Instanz ablösen, die diese Interessen wahre, das sei Trump bewusst und Leitlinie. Trump unterminiere nicht die Institutionen der Welt, sondern erneuere sie - "Institutionen, die im Interesse Amerikas arbeiten und in Ihrem".

Internationale Organisationen müssten wandlungsfähig sein, nationale Souveränität respektieren, ihre gegebene Mission erfüllen und einen Mehrwert in der internationalen Ordnung schaffen. Wenn Amerika und seine Verbündeten nicht gemeinsam daran arbeiteten, würden es andere tun, um die internationale Ordnung nach ihren illiberalen Vorstellungen zu gestalten.

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