Rechtsterrorist im Leipziger NPD-Büro:Neonazi Hoffmann als Zugpferd

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Verbindungen zum Oktoberfest-Attentat, Verdächtiger im Mordfall eines Verlegers, Chef von mehr als 400 Neonazi-Kämpfern: Bis heute wird Wehrsportgruppen-Gründer Karl-Heinz Hoffmann in der Szene als Held gefeiert. Nun sollte er im Leipziger NPD-Büro sprechen - passend zur aktuellen Debatte über die "Wirkungsweise der Geheimdienste". Am Ende fanden das wohl selbst seine Gesinnungsfreunde zu heikel.

Christiane Kohl, Leipzig

Der Lindenauer Markt gehört nicht zu den bevorzugten Wohnadressen in Leipzig. Männer in Jogginghosen stehen auf dem Bürgersteig, die Kneipen sind verraucht, das Bier ist billig. In einer Seitenstraße hat die NPD ihr Parteibüro. Hier war der Auftritt des Rechtsextremisten Karl-Heinz Hoffmann vorgesehen.

Zwar sagte die NPD den Auftritt von Altnazi Karl-Heinz Hoffmann dann doch noch kurzfristig ab - die Nazigegner gingen in Leipzig dennoch auf die Straße: Mehrere hundert Menschen demonstrierten am Samstag gegen ein Zentrum der rechtsextremen NPD im Westen der Messestadt. (Foto: dapd)

Bereits Wochen zuvor wurde in der rechten Szene dafür mobilisiert, unterdessen rief ein demokratisches Bürgerbündnis bereits zur Gegendemonstration in Leipzig auf. Entsprechend gespannt war die Stimmung, als der alte Neonazi, passend zur aktuellen Debatte, an diesem Samstag über die "Wirkungsweise der Geheimdienste" dozieren sollte. Doch das fanden am Ende wohl selbst seine Gesinnungsfreunde von der NPD zu heikel, und sie entzogen ihm kurzfristig den Raum - jedenfalls für dieses Mal.

Hoffmann ist kein Unbekannter in Ostdeutschland. Immer mal wieder tritt der Gründer der rechtsmilitanten "Wehrsportgruppe Hoffmann" als prominenter Redner bei Neonazi-Treffen in Sachsen oder Thüringen auf. Und immer mal wieder gibt es auch polizeiliche Ermittlungen darum: Nach Hoffmanns letztem Vortrag in der Nähe von Leipzig, der im September 2010 stattfand, gingen die Fahnder dem dringenden Verdacht nach, dass einige von Hoffmanns Zuhörern den gefährlichen C4-Sprengstoff gebunkert haben könnten.

Unter den Verdächtigen von damals war auch ein Neonazi aus Jena, der heute im Verdacht steht, zu den Unterstützern des rechtsterroristischen Trios "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zu gehören. Die Staatsanwaltschaft Gera vermutete, dass ein Sprengstoffanschlag auf die Jenaer Landtagsabgeordnete der Linkspartei Katharina König vorbereitet werden sollte. Bei den Durchsuchungen wurde dann zwar kein Sprengstoff gefunden, doch soll ein Spürhund in einem Auto angeschlagen haben.

Überhaupt gilt der Alt-Nazi aus dem Westen unter Jenaer Rechtsextremisten seit langem als eine bekannte Größe. Schon in den 1990er Jahren hatte er sich in der Kleinstadt Kahla im Süden von Jena geschäftlich niedergelassen. Hoffmann galt damals bereits als eine der schillerndsten Figuren unter den deutschen Rechtsextremisten: Bereits in den 1960er Jahren war der heute 74-jährige wegen Waffengeschäften aufgefallen, 1973 gründete er die später verbotene "Wehrsportgruppe", die zeitweise um die 400 Neonazi-Kämpfer gezählt haben soll. Sein Hauptquartier richtete sich der Neonazi auf Schloss Ermreuth bei Nürnberg ein, das zu NS-Zeiten eine Gauführerschule war.

In der Folge wurde Hoffmann in Zusammenhang mit verschiedenen Kapitalverbrechen gebracht, etwa dem Attentat beim Münchner Oktoberfest im Herbst 1980, bei dem zwölf Menschen ums Leben kamen, wie auch dem Mord an einem jüdischen Verleger und Vorsitzenden der israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg und seiner Frau im Dezember 1980. Konkret nachgewiesen werden konnten Hoffmann diese Bluttaten nicht, doch er musste wegen Delikten wie Geldfälschung, gefährlicher Körperverletzung und Nötigung eine Haftstrafe absitzen.

Als Ende 1989 die DDR unterging, war Hoffmann soeben wegen guter Führung aus dem Knast entlassen worden, fortan versuchte er sein Glück im Osten. Im thüringischen Kahla, wo der gebürtige Nürnberger nach dem Krieg aufgewachsen war und das Handwerk des Porzellanmalers erlernt hatte, bekam er sein Elternhaus zurückerstattet. Hoffmann und seine Frau kauften mehr als ein Dutzend Gebäude dazu und gründeten allerlei Firmen in der kleinen Porzellanstadt.

Dazu gehörten mehrere Gaststätten und ein Tabledance-Lokal, Antiquitätenläden und ein Möbelgeschäft. Zeitweise sollen an die 20 Mitarbeiter in seinen Geschäften gearbeitet haben, nicht wenige sollen aus der rechten Szene rekrutiert worden sein. Auch sonst wurden Geschäft und Politik gekonnt miteinander verknüpft: Eigenen Angaben zufolge will der "Chef", wie er sich von seinen Anhängern nennen ließ, an die zehn Millionen Mark in Kahla investiert haben, während er ganz nebenbei auch die politische Landschaft prägte.

Die Firmen in Kahla wurden irgendwann abgewickelt. Stattdessen richtete Hoffmann sein Augenmerk auf ein Rittergut im Süden von Leipzig, das zu NS-Zeiten von einem Nazi-Dichter bewohnt worden war. Heute wird das von einem Rokoko-Park umgebene Anwesen über eine Fiduziarische Kulturstiftung betrieben, deren Kurator und Rechtsträger Hoffmann ist. Für die Restaurierung der Gebäude beantragte der rechtslastige Schlossherr Fördermittel vom sächsischen Freistaat - und bekam etwa 130.000 Euro an öffentlichen Mitteln. Doch mittlerweile fordert die sächsische Landesregierung eine Summe von etwa 17.000 Euro zurück, die angeblich für förderfremde Zwecke verwendet wurden.

Jetzt betätigt sich Hoffmann auf dem Rittergut auch als Biolandwirt, er züchtet eine bestimmte Sorte Wollschweine. Sie werden "in Rotten" gehalten, Sauen und Eber gemeinsam, wie Hoffmann auf seiner Webseite erklärt. Das Fleisch verkauft er an Selbstabholer, die "Mindestabgabemenge ist eine Schweinehälfte".

© SZ vom 28.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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