Rechtsterrorismus:"Mit Bedacht und Planung"

Acht Männer sollen die Vereinigung "Revolution Chemnitz" gegründet haben. In geheimen Chats unterhielten sie sich darüber, wie man anonym Waffen beschaffen und verstecken könnte.

Von Annette Ramelsberger, Stefan Braun, AFP, SZ, Chemnitz/München

Men suspected of forming a far-right militant organisation in Chemnitz, are escorted by special police in front of the General Prosecutor's Office at the German Federal Supreme Court in Karlsruhe

Mutmaßlicher Rechtsterrorist bei der Ankunft in Karlsruhe.

(Foto: Vincent Kessler/Reuters)

Nach der Zerschlagung einer mutmaßlichen rechtsextremen Terrorzelle in Sachsen befinden sich acht Verdächtige in Untersuchungshaft. Die Männer werden dringend verdächtigt, die rechtsterroristische Vereinigung "Revolution Chemnitz" gegründet und einen Anschlag zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober vorbereitet zu haben. Erste Analysen ergaben nach Medienberichten, wie sich die Mitglieder untereinander austauschten, was sie planten und dass sie offenbar gezielt nach deutschen Schusswaffen suchten, die sie für mögliche Anschläge beschaffen wollten.

ARD und die Wochenzeitung Die Zeit zitieren aus geheimen Chatprotokollen der Gruppe. Man wollte etwas "bewegen," hieß es da, "die Geschichte Deutschlands ändern". Gewaltfrei aber werde dies nicht gelingen, das Ganze könne auch "Opfer fordern". Spezialisten sprechen von einem Gründungsprotokoll, das am 10. September verschickt wurde. Die Chatgruppe hatte der mutmaßliche Rädelsführer Christian K. Anfang September eingerichtet, der Text soll von ihm stammen. Man müsse "mit Bedacht und Planung" vorgehen, damit die Polizei nichts merke. "Es ist an der Zeit, nicht nur Worte sprechen zu lassen, sondern auch Taten." Taten statt Worte - das war auch die Losung des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Nach ARD-Informationen wurde nach einer Maschinenpistole MP5 von Heckler und Koch gesucht. Der genannte Preis: 800 Euro. Die Anweisung in der Gruppe: "Alles nur in bar und anonym machen." Außerdem sollten Schlagstöcke und Waffen im Gebüsch versteckt und erst später geholt werden, damit die Polizei nichts Auffälliges merkt.

Kretschmers Appell

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat an den Anstand der Sachsen appelliert, Ausfälle und Attacken gegen ausländische Mitbürger nicht zuzulassen. Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit seien die größten Gefahren für die Demokratie, sagte Kretschmer am Mittwoch im sächsischen Landtag während einer Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit. Dem müssten nicht nur Polizei und Rechtsstaat entschieden entgegentreten, sondern jeder für sich in seinem eigenen Lebensumfeld. "Wenn ein ausländischer Mitbürger in einem Bus oder einer Straßenbahn oder auf der Straße angegriffen wird und beschimpft wird, dann ist das einmal die Frage von Haltung und von Anstand, und auch die Frage, ob man dieses Unrecht zulässt. Aber es ist auch eine Frage: Wie sind wir alle miteinander Vorbild für die jungen Leute in diesem Land?", sagte Kretschmer.

In den vergangenen 28 Jahren sei viel erreicht worden. Man könne mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Aber: "Wenn wir wachsen wollen, müssen wir offen sein für neue Menschen, die zu uns kommen, für Fachkräfte und für Zuwanderer. Und deswegen ist es wichtig, dass in diesem Land, in diesem Freistaat Sachsen, eine positive, weltoffene und auch freundliche Stimmung gegenüber Menschen aus anderen Regionen herrscht", sagte der Ministerpräsident. Landtagspräsident Matthias Rößler kritisierte unterdessen "selbstgerechte Pauschalurteile" über das Bundesland Sachsen und die Stadt Chemnitz. Es grassiere eine undifferenzierte Kritik, sagte Rößler. Die Gesellschaft müsse raus aus der Dauerempörung. dpa

Was den Ermittlern Sorge bereitet, ist der Umstand, dass die "Revolutionäre" von Chemnitz bei einer Art Probelauf auf der Schlossteichinsel - wo sie am 14. September mehrere Jugendliche attackierten - nicht allein waren. Sie schlugen womöglich gemeinsam mit anderen rechtsradikalen Gruppen zu. "Wir müssen sehen, wie weit die Tentakeln dieser Terrorgruppe in andere Szenen hineinragen", sagt ein Fahnder. Es könnte sein, dass - wie bei der Gruppe Freital - auch die "Revolutionäre" von Chemnitz von einer größeren Gruppe getragen werden. Nach dem Angriff auf der Schlossteichinsel wurde Christian K. festgenommen.

Bei der Gruppe Freital gab es den schwarzen und den weißen Chat. Im weißen wurde nur Unverfängliches besprochen, im schwarzen ging es um die Vorbereitung von Terrortaten. Auch die Mitglieder der "Revolution Chemnitz" wollten sich unauffällig verhalten, aber sie hatten nur einen Chat. Der aber war tiefschwarz. Dort nannten sie den NSU, mit dem sie sich verglichen, sogar eine "Kindergarten-Vorschulgruppe", sie selbst wollten härter zuschlagen. Alle acht Festgenommenen beteiligten sich an dem Chat.

Die beschuldigten Männer sollen der Hooligan-, Skinhead- und Neonazi-Szene im Raum Chemnitz angehören. Ob die acht Beschuldigten auch an den teilweise gewaltsamen rechten Protesten in der Stadt Ende August und Anfang September beteiligt waren, ist den Ermittlern zufolge noch unklar. Auslöser der Proteste war der Tod eines 35-jährigen Deutsch-Kubaners, der am 26. August in Chemnitz mutmaßlich von Asylbewerbern erstochen worden war.

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