Rechtsstreit um Stasi-Vorwürfe:Gysi verliert gegen das ZDF

Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi hat erneut einen Rechtsstreit gegen das ZDF verloren. Das Landgericht Hamburg kommt zu dem Schluss, es gebe "hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür", dass Gysi als Anwalt in der DDR "wissentlich und willentlich an die Stasi berichtet" habe.

Hans Leyendecker, Hamburg

Gregor Gysi hat erneut einen Rechtsstreit gegen das ZDF verloren. Die 24. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg lehnte in einem am Mittwoch ausgefertigten Beschluss einen Antrag des Fraktionsvorsitzenden der Linken auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das ZDF ab.

Gregor Gysi, ddp

Gregor Gysi mit guter Miene zur Niederlage: Der Fraktionschef der Linken muss erneut eine Schlappe vor Gericht einstecken.

(Foto: Foto: ddp)

Gysi hatte der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, die Behauptung untersagen wollen, er habe im Falle des Regimekritikers Robert Havemann "wissentlich und willentlich" an die Stasi berichtet.

Frau Birthler hatte diese Aussage am 22. Mai im "heute-journal" gemacht. Bereits in der vergangenen Woche hatte Gysi, wie berichtet, in dieser Angelegenheit beim Landgericht Mainz eine Niederlage erlitten. Die 1. Zivilkammer des Mainzer Gerichts hatte einen Antrag Gysis auf Ausstrahlung einer Gegendarstellung abgelehnt.

Die Hamburger Entscheidung ist allerdings weit bedeutsamer als das Mainzer Urteil. In Mainz war der frühere DDR-Anwalt, der in der Vergangenheit eine Vielzahl von Prozessen gewonnen hatte, nur aus formalen Gründen gescheitert. In der Sache hatten die Mainzer Richter eher Gysis Sicht vertreten.

"Stichhaltige Verdachtsmomente"

Anders fiel die Entscheidung der Hamburger Pressekammer aus, die sich intensiv mit dem Fall beschäftigt hatte. Die Hamburger Richter kamen zu dem Schluss, bei der inkriminierten Äußerung Birthlers handele es sich nicht nur um zulässige Verdachtsberichterstattung, die ein besonderes aus Artikel 5 des Grundgesetzes abgeleitetes Privileg der Medien ist.

Wenngleich der Stasi-Vorwurf "schwerwiegend" sei, lägen "auch stichhaltige Verdachtsmomente" gegen Gysi vor. Die Recherche des ZDF, das im Rechtsstreit von dem Medienanwalt Gernot Lehr vertreten wurde, ergab nach Ansicht der Hamburger Richter "hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der geäußerte Verdacht zutrifft".

Auch sei die "sorgfältig recherchierte" Darstellung "ausgewogen" gewesen. Das ZDF habe zudem "deutlich" gemacht, dass die Akten im Fall Gysi einen "Deutungsspielraum zulassen und gerade keine eindeutigen Belege beinhalten".

Gysi hatte dem "heute-journal" für ein Interview nicht zur Verfügung gestanden. Sein Pressesprecher hatte der Redaktion lediglich eine Presseerklärung geschickt. Dass Gysi nicht zu einem "Interview oder einer weiteren Stellungsnahme" bereit gewesen sei, kann nach Meinung der Kammer "nicht zu Lasten" des ZDF gehen.

In einer eidesstattlichen Erklärung vom 3. Juni, die der Hamburger Pressekammer vorlag, hatte der Politiker erklärt, er habe "zu keinem Zeitpunkt über irgendjemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet, auch nicht im Falle Robert Havemanns".

"Nicht glaubhafte bloße Schutzbehauptung"

Bei dem "vermeintlichen Beleg" für die vorgebliche "Falschbehauptung" gehe er davon aus, dass sich die Stasi möglicherweise einen von ihm für seine Handakte diktierten Vermerk "oder Teile davon" verschafft habe, um daraus einen Bericht zu fertigen. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte bereits vor zwei Jahren in einem Urteil diese Theorie als "nicht glaubhafte bloße Schutzbehauptung" bezeichnet.

Auch hatte Gysi erneut gemutmaßt, seine schriftliche Information an einen Mitarbeiter der "Abteilung Staat und Recht" des Zentralkomitees (ZK) der SED über ein Gespräch mit Havemann sei möglicherweise vom ZK an die Stasi weitergeleitet worden. Dazu hatte das Berliner Verwaltungsgericht erklärt: "Wer mit dem Zentralkomitee der SED in einer solch brisanten Angelegenheit sprach, musste damit rechnen, dass die Information auch zur Stasi gelangen würde".

Die Anwälte Gysis hatten dem Hamburger Gericht eine zweieinhalb Seiten umfassende eidesstattliche Erklärung eines früheren Stasi-Offiziers überreicht, dessen Abteilung Havemann überwacht hatte.

Der frühere Mitarbeiter der Staatssicherheit betonte, die "Wichtigkeit der Vorgänge im Fall Havemann" sei hoch angesiedelt gewesen. Die "Ergebnisse verschiedener Quellen, die separat vorlagen", seien in eine "lesbare, zusammenfassende Form" gebracht worden. Auf den inkriminierten Vermerk bezogen erklärte er, über "keine konkrete Erinnerung" zu verfügen.

Seiner Darstellung zufolge hat er mit der Legende, er sei ein Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft, jahrelang vergeblich versucht, Gysi für eine Zusammenarbeit mit der Stasi zu gewinnen. Das sei nicht geglückt. Der Anwalt habe "auf der strikten Wahrung seiner anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht bestanden".

Nach Meinung der Hamburger Richter hingegen kann aus einem Stasi-Bericht vom 5. Oktober 1979 der "Schluss gezogen werden", bei dem in dem Bericht genannten Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) der Stasi habe es sich um Gysi gehandelt. Voraussichtlich wird Gysi jetzt vor das Hamburger Oberlandesgericht ziehen, um die einstweilige Verfügung durchzusetzen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: