Rechtsruck in Finnland:Das Herz der Populisten

Sie wollen aus der Gemeinschaftswährung aussteigen und das Stabilitätspaket neu verhandeln. Die finnischen Europa-Musterschüler lassen sich von einem Mann begeistern, der raus will aus der EU.

Gunnar Herrmann, Stockholm

Es kommt nicht oft vor, dass finnische Parteien den Brüsseler Politikbetrieb erschüttern. Timo Soini und seinen "Wahren Finnen" ist das geglückt. Sein Erdrutscherfolg ließ am Montagmorgen sogar den Euro-Kurs schwächeln. Denn das Ergebnis der Parlamentswahlen in Helsinki könnte den Euro-Stabilitätspakt und die Unterstützung für Portugal in Frage stellen. Soini will ein finnisches "Nein" erzwingen. Aber der Populist - so nennt er sich selbst - geht noch weiter. Er stellt das europäische Projekt als solches in Frage. Und er ist nicht allein - in vielen anderen Ländern existieren ähnliche Strömungen. Finnlands Probleme sind die Probleme Europas. Das ist es, was so beunruhigend ist.

Parliamentary Elections in Finland

Wahlsieger Soini: Ob er mit seinem Widerstand gegen die Portugal-Hilfen wirklich etwas verändern kann, ist offen.

(Foto: dpa)

Ob Soini mit seinem Widerstand gegen die Portugal-Hilfen wirklich etwas verändern kann, ist offen. Die Frage wird nun in Koalitionsverhandlungen diskutiert, die sich wohl einige Wochen hinziehen werden. Vielleicht können die Wahren Finnen, als nun drittstärkste politische Kraft, den potentiellen Regierungspartnern gewisse Zugeständnisse abringen, womöglich Nachverhandlungen in Brüssel und ein paar kleinere Änderungen erzwingen. Aber sicher ist das nicht, denn im finnischen Parlament sitzen nach wie vor überwiegend pro-europäische Parteien, die notfalls auch ohne Soini regieren könnten. Allzu radikale Ziele wird er also kaum durchbringen.

Das heißt aber nicht, dass er solche Ziele nicht verfolgt. Soini ist kein EU-Kritiker, der die Gemeinschaft ein bisschen reformieren möchte. Er ist ein EU-Feind. Brüssel ist für ihn "das Herz der Finsternis". Er spricht offen über die Abschaffung des Euro, den Austritt aus der Union. Zwar räumt er ein, dass solche Dinge "derzeit politisch nicht machbar sind". Doch wird er die Macht, die ihm nun zugeflossen ist, gewiss nutzen, um weiter Stimmung gegen die EU zu machen.

Es ist wohl kein Zufall, dass einer wie Soini ausgerechnet in Finnland Siege feiert. Finnland war immer der Musterschüler der Euro-Zone. Nirgendwo sonst wurden die Stabilitätskriterien so penibel befolgt. Darauf waren die Finnen stolz. Aber deswegen ist nun auch ihr Unmut darüber besonders groß, dass sie für Länder zahlen müssen, die es weniger genau nahmen. Zudem war sich die konsensfreudige politische Elite Helsinkis in ihrer EU-Begeisterung stets einig. Europa wurde als etwas Selbstverständliches betrachtet. Diskutiert und erklärt wurde dagegen nicht mehr viel. Dabei hatten 1994 bei einem Referendum über den EU-Beitritt immerhin 43 Prozent der Finnen mit "Nein" gestimmt - eine Minderheit, aber eine ziemlich große. Ihre Sorgen und Ängste spielten in den vergangenen Jahren jedoch keine Rolle mehr. Man begegnete ihnen zu oft mit dem Mantra: "Zur EU gibt es keine Alternative."

Es gibt immer Alternativen - Timo Soini ist eine. Seine Vision ist ein Europa der Nationalstaaten, das allenfalls noch von einer lockeren Freihandelszone zusammengehalten wird. Dieses Europa wäre ärmer, verschlossener und unsicherer. Seine Staaten wären im globalen Wettbewerb Zwerge, die bei jeder Krise zittern müssten, weil sie nicht auf die Unterstützung einer starken Gemeinschaft bauen können. Darum ist Soinis Alternative eine schlechte. Aber es gibt sie, und in einer Demokratie könnten die Bürger sich irgendwann einmal dafür entscheiden - nicht nur in Finnland.

Den Aufstieg der Wahren Finnen in die Regierung wird die EU verkraften können. Man wird die Gruppierung auf die eine oder andere Weise ins Machtgefüge einbinden, so wie das auch mit anderen Populisten gelungen ist. Aber Europa sollte Soinis Erfolg trotzdem ernst nehmen und als Warnung verstehen. Der Wahlausgang in Helsinki ist eine Erinnerung daran, dass man die Europäische Union nicht einfach auf Gipfeltreffen verwalten kann. Man muss Europa und die Idee dahinter auch vor den Wählern immer wieder aufs Neue gegen die Timo Soinis dieser Welt verteidigen.

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