Rechtsradikale Gewalt:Was Trump übersieht, wenn er Nationalisten in Schutz nimmt

Donald Trump

In der Anzugtasche hatte Donald Trump im Trump Tower auch einen Zettel mit seiner früheren Äußerung über die Gewalt in Charlottesville.

(Foto: AP)

Nur notgedrungen verurteilt Donald Trump die rechtsradikale Gewalt in Charlottesville - und nimmt schnell alles wieder zurück. Sogar sein ehemaliger Kommunikationschef Scaramucci hätte das besser gemacht.

Kommentar von Thorsten Denkler, New York

Es dauert nur knapp über 24 Stunden, bis US-Präsident Donald Trump wieder der alte ist. Derjenige, der am Samstag über die Gewalt in Charlottesville sagt, diese sei von "vielen Seiten" ausgegangen. Und überhaupt nicht erwähnte, dass eine junge Frau von einem Auto in den Tod gerissen wurde, das ein weißer Nationalist in eine Menge von Gegendemonstranten gesteuert hatte. Die Rechtsradikalen feierten Trump danach im Netz dafür, dass er sie nicht verurteilt habe.

Das hat Trump erst am Montag gemacht. Auf Druck der wenigen Vernünftigen in seinem Berater-Team vermutlich. Und auf Druck vieler Republikaner, die richtigerweise rechte Gewalt auch als solche benannt sehen wollen. Trump hatte sein Manuskript pflichtschuldig abgelesen, ohne erkennbare Empathie. Fragen waren nicht zugelassen.

An diesem Dienstag aber, in seinem New Yorker Trump Tower, den er zum ersten Mal seit seiner Amtsübernahme besucht, da nimmt er im Grunde alles wieder zurück. Ja, schon schlimm, was mit der armen Frau passiert sei. Aber Gewalt habe es doch auf beiden Seiten gegeben, oder? Und er sei der einzige Politiker, der das ausspreche.

Faktisch ist wenig dagegen zu sagen. Gewalt hat es auf beiden Seiten gegeben. Nur, dass die einen Hakenkreuz-Flaggen schwenkend, mit rassistischen und menschenverachtenden Parolen Juden, Schwarzen, Muslimen und allem, was ihnen fremd ist, die Pest an den Hals gewünscht haben. Und die anderen aus lauter Wut darüber eine spontane, nicht genehmigte Gegendemo gestartet haben.

USA, Mutterland der Meinungsfreiheit

Die USA gelten als das Mutterland der Meinungsfreiheit. Der erste Verfassungszusatz garantiert seit 1791 die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Das bedeutet auch: Keine Meinung ist so abstrus, dass sie nicht von diesem Artikel geschützt wäre. Selbst den Holocaust kann hier jeder ungestraft leugnen.

Was Trump aber unterschätzt: Es gibt in den USA ein sehr feines Gespür für die moralischen Grenzen der Meinungsfreiheit. Mit Fremdenhass, Menschenverachtung und Rassismus sind diese Grenzen deutlich überschritten. Diese Haltung hat sich bis tief hinein auch in konservative Schichten durchgesetzt. Tatsächlicher und vermeintlicher Alltagsrassismus wird in den USA sofort thematisiert. Die US-amerikanische Gesellschaft ist da hochsensibel.

Der rechte Mob in Charlottesville hat so wenig mit der US-amerikanischen Mehrheitsgesellschaft zu tun, wie in Deutschland die AfD mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Er repräsentiert nur eine kleine Minderheit.

Die USA gäbe es nicht ohne Migration

Trump aber hat diese Minderheit aufgepumpt, hat ihre Ressentiments bedient, hat Fremdenhass wieder salonfähig gemacht. Auf Twitter hat er alles und jeden attackiert. Nur weiße Nationalisten nicht.

Die USA aber sind anders. Es ist ein Land, in dem so gut wie jeder eine familiäre Migrationsgeschichte erzählen kann. Es ist ein Land, das es so nicht gäbe ohne die oft bittere Migration aus Europa, Afrika, Südamerika, Asien und der arabischen Welt.

Trump müsste nur einmal auf Ellis Island in seiner Heimatstadt New York das Einwanderungsmuseum besuchen. Dort werden viele Migrationsschicksale beschrieben. Auch Trumps Vorfahren haben in den USA als Einwanderer angefangen.

Immigration ist ein fester Bestandteil der US-amerikanischen Identität. Wenn Trump jetzt den Eindruck erweckt, er lehne radikalen Nationalismus und weiße Vorherrschafts-Fantasien nicht aus voller Überzeugung ab, dann stellt er sich auch für konservative Amerikaner auf die falsche Seite.

Scaramucci äußert sich in einer Fernsehsendung unerwartet klug

Trump wird das wie vieles andere auch herzlich egal sein. Er hält sich für den besten Präsidenten aller Zeiten. Seine konservative Anhängerschaft aber sollte jetzt langsam aufwachen.

Trumps Zehn-Tage-Kommunikationschef Anthony Scaramucci hat dazu am Montagabend in der Late-Night-Show von Stephen Colbert etwas unerwartet Kluges gesagt. Er habe im Weißen Haus keine Rassisten kennengelernt. Aber was ihn sehr aufgebracht habe, das sei das hohe Maß an Toleranz gegenüber Rassismus im Weißen Haus.

Viele Menschen im Publikum oder deren Familien hätten Diskriminierung erlebt. Definitiv aber seine eigene Familie. Er empfinde das als "widerlich und verwerflich". Und er werde jeden Tag seines Lebens dagegen kämpfen. Rassismus sei "vollkommen intolerabel".

Scaramucci hat das verstanden. Trump nicht.

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