Der neue Bundespräsident Österreichs ist also nun der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. Mit knapp 31 000 Stimmen liegt er vor dem Rechtspopulisten Norbert Hofer. Das ist knapp. Zu knapp, um jetzt gepflegt in den Ist-doch-gerade-noch-gut-gegangen-Modus zu schalten.
Am Ende des Wahltags am Sonntag hat die Hälfte der Wähler in Österreich einen "Ausländer-raus-und-Österreich-zuerst"-Apologeten gewählt, einen Europa-Skeptiker, einen Nationalstaats-Bewunderer. Zwar nicht unbedingt ein Nazi, wie der österreichische Schriftsteller Robert Menasse klug anmerkt. Aber wohl ein Faschist österreichischer Prägung.
Dass es so kommen könnte, irgendwann, war keine Überraschung mehr. Die FPÖ, der Hofer sich zugehörig fühlt, hat sich trotz einiger Einbrüche seit ihren Anfängen immer weiter gesteigert. Die christdemokratische ÖVP hat die Partei hoffähig gemacht, als sie 2000 mit ihr eine Regierung bildete.
Van der Bellen:Van der Bellen - der Anti-Populist
Es ist eine Sensation, dass Van der Bellen gegen den FPÖ-Mann Hofer gewonnen hat. Österreichs Mitte atmet auf. Der Grünen-Politiker hat dem Land lange Kämpfe erspart - fürs Erste.
Die Entwicklung in Österreich zeigt, was die Parteien der Mitte im Umgang mit Rechtspopulisten alles falsch machen können - ihr Versagen ist einer der wichtigsten Gründe, die den Aufstieg Hofers erst möglich machten.
SPÖ und ÖVP haben über Jahre hinweg und ganz besonders in diesem Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten aus lauter Angst die Parolen der FPÖ nachgebetet. Sie haben die Asylgesetze verschärft, Zäune am Brenner errichtet. Die Wähler mussten der Eindruck gewinnen: Wenn die anderen das jetzt auch so sehen - dann hat die FPÖ wohl doch recht. Warum dann nicht gleich die wählen, die es schon immer gesagt haben?
Lähmende Ängstlichkeit
Die FPÖ ist da nicht anders als die anderen Rechtspopulisten und -extremisten in Europa. Sie gaukeln den Menschen vor, mit einfachen Antworten ließen sich komplexe Probleme lösen: Ausländer raus, Muslime sowieso, Grenzen dicht, die EU ist schlecht.
Das funktioniert in Österreich. Das funktioniert in Ungarn und Polen, wo Regierungen und Präsidenten längst Hand in Hand drauf und dran sind, ihre Länder in Autokratien umzubauen. Das funktioniert in den Niederlanden, in Frankreich, in Großbritannien, wo demnächst über den Brexit abgestimmt wird. Und das funktioniert in Teilen auch in Deutschland, was die jüngsten Erfolge der AfD belegen.
Es mag eine Menge Unterschiede geben, aber es gibt eben auch Parallelen zwischen AfD und FPÖ.
- Gegenüber der AfD herrscht eine ähnlich lähmende Ängstlichkeit vor, wie es sie in Österreich gegenüber der FPÖ gibt.
- Demokratische Politiker glauben plötzlich nicht nur, die Sorgen derer ernst nehmen zu müssen, die sich nach einfachen Antworten sehnen - sondern ihnen selbst diese Antworten geben zu müssen.
- Sie vergessen dabei die Sorgen und Nöte all derer, die wissen, dass die Welt komplexer ist, als es ihr Vorgarten vermuten lässt.
Der FPÖ ist in Österreich gelungen, für eine breite Masse wählbar zu werden. Nicht jeder Hofer-Wähler ist so rechts wie Hofer. Aber jeder Hofer-Wähler konnte denken: Ach, warum nicht?
Das ist eine Stufe, die die AfD erst noch erreichen muss - die Mitte zu gewinnen, ist ihr klares Ziel. Im Moment ist sie vor allem noch Protestpartei. Für die etablierten Parteien hat das den Vorteil , dass sie die AfD-Wähler noch umstimmen können.
Protestwähler wollen es den Etablierten mal zeigen, sie wissen, dass eine Stimme für die AfD eine Provokation ist. Das Kreuzchen für die FPÖ ist hingegen kein Protest mehr. Sie scheint eine demokratische Normalität geworden zu sein. Genau da wollen die Rechtspopulisten in ganz Europa hin.
Präsidentschaftswahl in Österreich:Warum die AfD von österreichischen Verhältnissen nur träumen kann
50 Prozent Zustimmung für die FPÖ - dahin würde auch Frauke Petry gerne kommen. Aber so einfach lassen sich die Erfolge der österreichischen Rechtspopulisten nicht auf Deutschland übertragen.
Wie also umgehen mit den Vereinfachern und Blendern vom rechten Rand?
Das Beispiel Österreich zeigt einerseits, wie schnell die Stimmung kippen kann, wie schnell Rechtspopulisten die Oberhand gewinnen können, wenn ihnen das Feld kampflos überlassen wird. Wenn ihnen gar der Boden für den Sieg gerade von denen bereitet wird, die sie bekämpfen müssten.
Die Bundespräsidentenwahl zeigt andererseits aber auch, wie es anders gehen kann. So erstaunlich der Erfolg der FPÖ ist, Hofer musste sich am Ende doch einem eher drögen Grünen der altlinken Schule geschlagen geben. Der Grund: Van der Bellen blieb seinen Haltungen treu, blieb prinzipienfest. Er hat sich für ein geeintes Europa eingesetzt, für eine gute Flüchtlingspolitik, für Sozialreformen. Und sich nicht der FPÖ-Klientel angebiedert.
Selbstbewusst auftreten statt klein beigeben
Eine knappe Mehrheit hat so das totale Kontrastprogramm zu Hofer gewählt. Auch wenn viele dabei gewesen sein mögen, die Van der Bellen vor allem deshalb ihre Stimme gaben, um Hofer zu verhindern.
Was also lässt sich aus der Österreich-Wahl für die Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten in anderen Ländern lernen? Drei Ideen:
- Als Allererstes: Sorgen ernst nehmen ist in Ordnung. Aber den Besorgten nach dem Mund reden schadet.
- Wer schwankt, verliert. CDU-Chefin Merkel zum Beispiel hat in der Flüchtlingsfrage - zumindest verbal - Kurs gehalten. Was ihr historisch gesehen keine schönen, aber aktuell weit überdurchschnittliche Umfrageergebnisse beschert.
- Und: Keine Angst haben, sondern den Rechtspopulisten Angst machen.
Auch und gerade in der Europapolitik sollte die etablierte Politik ein klares Gegenprogramm zu den Nationalisten bieten, die sich derzeit überall breitmachen. Eine der Lehren aus der Banken-, Euro- und Staatsschuldenkrise ist ja nicht, dass es zu viel Europa gibt. Sondern zu wenig Europa. Der Währungsunion hätte zwingend die politische Union folgen müssen, um das System schockresistenter zu machen. Europa braucht eine neue, positiv besetzte Einigungsvision bis hin zu den Vereinigten Staaten von Europa. Und sie braucht Politiker, die diese Visionen offen in Wahlkämpfen vertreten.
Die EU muss selbstbewusster auftreten. Die meisten Bürger des Kontinents wollen kein Zurück in überkommenes, nationalstaatliches Denken. Wer das aber nicht will, der muss dem Zurück ein Vorwärts entgegensetzen.
Es müssen die Rechtspopulisten sein, die Angst haben vor den Europäern. Und nicht die Europäer Angst haben vor den Rechtspopulisten. Angst mag Wähler antreiben. Aber Angst wird nicht gewählt.