Süddeutsche Zeitung

Rechtspopulismus:"Mein Held"

Ungarns Premier Orbán schmeichelt Italiens Innenminister Salvini - und will mit ihm Europa ändern.

Von Oliver Meiler, Rom

In einem Sitzungszimmer der Mailänder Präfektur hat sich ein Treffen zugetragen, von dem in Italien niemand so genau weiß, zu welcher protokollarischen Kategorie man es zählen muss. Die drei Fahnen, die hinter Matteo Salvini und Viktor Orbán aufgestellt waren, als sie vor die Medien traten, deuteten auf allerhöchste Formen hin. Links die ungarische Flagge, in der Mitte das europäische Sternenbanner, rechts die italienische Trikolore. Aber wurden da auch tatsächlich staatliche Angelegenheiten verhandelt? Und wenn es so war: Warum traf sich Ungarns Premierminister nicht in Rom mit seinem Kollegen Giuseppe Conte, der sehr wohl verfügbar gewesen wäre, sondern mit dessen Vize und Innenminister?

Orbán und Salvini mögen einander, persönlich und politisch, sie haben auch gemeinsame Pläne für die Zukunft. Besonders offensichtlich ist die Gesinnungsverwandtschaft der beiden Nationalisten bei der Verriegelung der eigenen Grenzen: Migranten sollen diese möglichst nicht mehr überqueren können. Der Ungar rollt dafür auch Stacheldraht aus. Der Italiener kann das nicht, selbst wenn er denn wollte: Die Grenzen des Landes liegen vor allem im Meer. Und so sagte Orbán: "Wir haben bewiesen, dass man die Immigration auf dem Landweg stoppen kann. Nun zeigt Salvini, dass man sie auch auf dem Meer stoppen kann. Er ist mein Held." Salvini dankte seinem "Freund Viktor": "Das sind weise Worte", sagte er, halb ironisch.

Salvini lobt Orbán - obwohl dessen Flüchtlingspolitik kaum solidarisch mit Italien ist

Trotz Affinitäten steckt in der demonstrativ zur Schau gestellten Allianz der beiden ein fundamentaler Widerspruch. Man erinnert Salvini daran, sein "Freund Viktor" sei maßgeblich dafür verantwortlich, dass Italien in den vergangenen Jahren alleingelassen wurde mit den Flüchtlingen, die über das zentrale Mittelmeer kamen. Als wortgewaltiger Vertreter der Visegrád-Staaten, die sich alle gegen die Aufnahme von Migranten sträuben, verhinderte Orbán die Einrichtung eines europäischen Verteilungssystems und damit das Mehr an Solidarität, das Rom schon so lange fordert. Andererseits: Gäbe es eine solche Übereinkunft, bräuchte Salvini keine Schiffe mit geretteten Flüchtlingen festsetzen oder abweisen, weder staatliche noch private. Die Fälle der Diciotti, der Aquarius und der Lifeline haben das Profil des Innenministers als Hardliner geschärft. Und das ist ihm ganz recht so.

Nun wollen Salvini und Orbán offenbar ihre Kräfte bündeln für die Europawahlen 2019. Aus Sicht der Parteichefs passen Lega und Fidesz gut zusammen. Im Europaparlament gehört Fidesz allerdings der großen Fraktion der Europäischen Volksparteien an, was nicht unumstritten ist; eigentlich ist die ein Bund moderater Konservativer, zu der auch CDU und CSU zählen. Die Lega wiederum, mittlerweile die stärkste Rechtspartei Italiens, hat sich dem Verbund der Rechtsextremen angeschlossen: Zu "Europa der Nationen und der Freiheit" gehören das Rassemblement National (früher Front National) von Marine Le Pen und die FPÖ. Salvini sagte nach dem Treffen mit Orbán, sie hätten vor, "die Sozialisten und wenigstens einen Teil der Volksparteiler nach Hause zu schicken".

Da keimt also ein Bündnis von Europakritikern und fremdenfeindlichen Nationalisten, die in Europa fast alles anders machen wollen. Den stillen Regierungspartnern Salvinis, den Cinque Stelle, die auch viele linke Wähler haben, geht das viel zu weit. Es kann also sein, dass Lega und Fünf Sterne zusammen Italien regieren, sich bei der Europawahl im kommenden Jahr aber miteinander balgen, ja, sich vielleicht sogar überwerfen.

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Quelle:
SZ vom 30.08.2018
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