Rechtspopulismus in Österreich:"Wir werden eine Renaissance der FPÖ erleben"

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Populismus-Forscher Oliver Geden schildert, wie sich Österreichs Rechte als "Märtyrerin der Meinungsfreiheit" stilisiert und erklärt, warum Roland Kochs Wahlkampf nicht populistisch ist.

Oliver Das Gupta

Oliver Geden ist Mitarbeiter der in Berlin ansässigen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die Bundestag und Bundesregierung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen berät. Zuletzt erschien von ihm die Studie "Diskursstrategien im Rechtspopulismus. Freiheitliche Partei Österreichs und Schweizerische Volkspartei zwischen Opposition und Regierungsbeteiligung".

Mobilisiert seine Wähler auch mit ausländerfeindlichen Sprüchen: Jörg Haider, früher FPÖ-Obmann, nun BZÖ. (Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Die FPÖ-Kommunalpolitikerin Susanne Winter hat mit islamfeindlichen Sprüchen für große Aufregung gesorgt. Gehören solche Ausfälle zur rechtspopulistischen Normalität?

Oliver Geden: Es gehört zum Standardprogramm, mit Zitaten aufzufallen, die für Entrüstung sorgen. Es ist sicherlich das Ziel von Susanne Winter gewesen, möglichst weiträumig für Empörung zu sorgen.

sueddeutsche.de: Die Welle der Erregung schwappte nicht nur bis nach Wien, sondern über die Grenzen hinweg - eigentlich absehbar, nach solch massiven Verunglimpfungen.

Geden: Es gibt viele Beispiele aus der FPÖ - aber auch aus ähnlichen Parteien, die die Strategie offenbaren: Je größer der Medientenor ist und je stärker er kontra FPÖ ausfällt, desto besser.

sueddeutsche.de: Nun soll es Drohungen gegen Frau Winter geben.

Geden: Da dürfte es ihr möglicherweise etwas mulmig werden. Aber wenn sie ihre Äußerungen vorher durchdacht hat, dann hat sie auch damit gerechnet. Die Partei ist jedenfalls bestrebt, die Drohungen als Beleg dafür zu verwenden, dass die Islam-Kritik berechtigt ist.

sueddeutsche.de: Zahlt sich diese nationalistische Holzerei aus? Oder manövriert sich die FPÖ damit endgültig ins Aus?

Geden: Es ist überraschend, aber: Wir werden eine Renaissance der FPÖ erleben, mit der niemand gerechnet hat. Nachdem sie in der Bundesregierung abgestürzt war und sich gespalten hatte, hatte man sie abgeschrieben. Dabei hat die FPÖ schon bei der letzten Nationalratswahl wieder zugelegt. Zudem stehen in diesem Jahr Landtagswahlen an, bei denen die Partei zuletzt sehr schlecht abgeschnitten hatte - und nun fünf bis zehn Prozentpunkte zulegen dürfte. Das populistische Potential ist nach wie vor groß in Österreich.

sueddeutsche.de: In vielen Ländern wird mit Fremdenangst Wahlkampf gemacht. Warum sind gerade im Urlaubsland Österreich die Töne besonders schrill?

Geden: Die neuere Erklärung ist, dass sich das Freiheitliche Lager gespalten hat in FPÖ und das BZÖ unter Jörg Haider. Rechtsaußen gibt es einen harten Konkurrenzkampf, FPÖ und BZÖ versuchen, sich gegenseitig zu überbieten. Es ist ein Kampf um Aufmerksamkeit.

sueddeutsche.de: Das BZÖ hat im Grazer Wahlkampf mit ähnlichen Sprüchen mobilisiert. Zwar konzentrierte sich die Haider-Partei auf "organisierte Bettlerkriminalität", aber damit sind in erster Linie auch Ausländer gemeint.

Geden: Für alle rechtspopulistischen Parteien gilt: Migrationspolitik und Ausländerkriminalität sind Topthemen, mit denen sich große Emotionen mobilisieren lassen.

sueddeutsche.de: Aber die Spaltung der FPÖ allein erklärt noch nicht, weshalb rechts der konservativen ÖVP so viel Platz ist. Gewinnt man Wahlen in Österreich rechts der Mitte?

Geden: Es wird oft verkannt, dass Parteien wie die FPÖ nicht nur rechte politische Aussagen machen, sondern dass sie Themen vor allem in einen populistischen Rahmen stellen. Man wettert immer "gegen die da oben", gegen das Establishment, das sich angeblich vom Volk entfernt hat. Die FPÖ, aber auch die Schweizerische Volkspartei (SVP) gibt sich als Vertreterin der vielbeschworenen "schweigenden Mehrheit", die das ausspricht, "was die Leute eigentlich denken".

sueddeutsche.de: Aber solche heftigen Aussagen wie die Schmähungen Susanne Winters gehen darüber hinaus.

Geden: Wenn man als populistische Partei Tabus bricht - in Österreich sind das auch oft antisemitische Aussagen - und damit Schelte gegen sich selbst mobilisiert, indem man die anderen provoziert, dann kann man zu seinen eigenen Anhängern sagen: "Seht her, über die eigentlichen Probleme darf nicht gesprochen werden." Diese Parteien setzen auf fremdenfeindliche Ressentiments, die im Alltagsdenken mancher Bevölkerungsschichten nach wie vor sehr verbreitet sind - und stellen sich hinterher als Märtyrer der Meinungsfreiheit dar.

Wurde durch die Beleidigung des Islam und des Propheten Mohammed bekannt: Regionalpolitikerin Susanne Winter (Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Aber es macht doch auf Dauer keinen Spaß, wenn Medien und andere Parteien gegen einen Sturm laufen.

Geden: Gerade das ist Teil des Erfolgsrezeptes. Die FPÖ und auch Blochers SVP haben überhaupt kein Problem mit Negativschlagzeilen. Wenn sie sagen: Sie stehen gegen das politische System, dann profitieren sie gerade davon, dass sie vom "Establishment" permanent hart kritisiert werden.

sueddeutsche.de: Sie sprachen von Alltagsrassismus: Ist das Ferienziel Österreich fremdenfeindlicher als andere Länder?

Geden: Das denke ich nicht. Vielmehr ist es wohl so, dass es in der österreichischen politischen Kultur legitimer ist, Ressentiments in die politische Sphäre zu tragen, vor allem, seitdem die FPÖ damit bei Wahlen großen Erfolg hat. Andere Parteien sind auf diesen Zug aufgesprungen. In Österreich ist der Diskurs über Ausländerpolitik sicherlich weiter rechts angesiedelt als in Deutschland.

sueddeutsche.de: In Österreich stehen in 2008 verschiedene Wahlen an, der Wahlkampf geht noch weiter. Die ausländerfeindlichen Ausfälle auch?

Geden: Das ist gut möglich, schließlich gibt es auch in der konservativen ÖVP Leute, die eine ähnliche Karte spielen, wie der niederösterreichische Landeshauptmann Pröll, der Minarette "artfremd" nannte. Aber bei FPÖ und BZÖ schwingt noch etwas anderes mit.

sueddeutsche.de: Was meinen Sie?

Geden: In einem bemerkenswert offenen und später auch autorisierten Interview über die Strategien rechtspopulistischer Parteien hat ein ehemaliger BZÖ-Staatssekretär mir gegenüber angegeben, dass Ausländerpolitik im Grunde genommen nichts anderes sei als ein gut funktionierendes "Geschäft mit der Angst". Es sei relativ leicht kalkulierbar, wie das Mediensystem auf besonders scharfe Aussagen reagiere und dass man mit dem immergleichen Verlauf dieser Debatten vor allem bei bildungsfernen Schichten Punkte machen könne.

sueddeutsche.de: Würde dieses "Rezept" auch in Deutschland funktionieren?

Geden: In Deutschland haben wir ein sehr fest gefügtes Parteiengefüge und keine Gruppierung mit einem konsistenten populistischen Programm. Die letzte dieser Art war die Schill-Partei.

sueddeutsche.de: Ist die NPD auch eine solche Partei?

Geden: Die NPD nimmt ihr neofaschistisches Programm viel zu ernst, um breite Bevölkerungsschichten anzusprechen, auch wenn sie in Ostdeutschland mittlerweile relativ stark verankert ist.

sueddeutsche.de: Roland Koch wird im Umgang mit der Causa "junge Schläger mit Migrationshintergrund" von der SPD "Rechtspopulismus" vorgeworfen. Sind wir auf dem Weg zu österreichischen Verhältnissen?

Geden: Was wir in Hessen erleben, würde ich nicht als populistisch bezeichnen. Forderungen zu stellen, von denen ein Politiker denkt, dass sie populär sind, ist erst einmal opportunistisch. Koch mobilisiert ja nicht gegen das politische "Establishment".

In Deutschland wird diese Debatte nach der Hessen-Wahl, spätestens nach der Wahl in Hamburg, wohl erst mal wieder in sich zusammenfallen. Den österreichischen Rechtspopulismus aber wird es auch weiterhin geben - und vermutlich wird er in den nächsten Jahren eher wieder stärker werden.

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