Süddeutsche Zeitung

Rechtspopulismus in Österreich:"Unglaubliche politische Blödheit"

In Österreich wächst die Wut auf die FPÖ-Politikerin Winter, die Mohammed als Kinderschänder bezeichnet hatte. Auch die Angst vor Anschlägen nimmt zu.

Michael Frank

Beschimpfungen der rechtsradikalen steirischen Lokalpolitikerin Susanne Winter gegen den Propheten Mohammed haben die österreichische Justiz auf den Plan gerufen und einen scharfen Disput im kirchlich-konservativen Lager ausgelöst.

Bundespräsident Heinz Fischer bezeichnete Winters Äußerungen als "völlig inakzeptabel". Dies sei "nicht die Stimme Österreichs", die da gesprochen habe und die für Toleranz stehen müsse. Der sozialdemokratische Landeshauptmann der Steiermark, Franz Voves, entschuldigte sich für die "Beleidigung" islamischer Mitbürger. Auch Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) wandte sich scharf gegen Winters Äußerungen.

Die Spitzenkandidatin der Freiheitlichen Partei (FPÖ) für die am Sonntag stattfinden Kommunalwahl in der steirischen Hauptstadt Graz hatte Mohammed wegen seiner jugendlichen Frauen einen "Kinderschänder nach heutigen Maßstäben" genannt - eine nach dem Urteil von Koran-Exegeten verbreitete und beliebte Fehleinschätzung.

Der Prophet, so Winter unter anderem, habe den Koran unter "epileptischen Anfällen" geschrieben. Die FPÖ, die in Graz ihr Neujahrstreffen abhielt, und das BZÖ, eine ebenso xenophobe Abspaltung, haben schon vor Jahren Ausländer und besonders den Islam als Feindbilder entdeckt, mit denen sie Wahlkampf machen.

Zurückhaltung bei Österreichs Muslimen

Obwohl große Bestürzung in der islamischen Gemeinschaft Österreichs herrscht, legten sich deren Vertreter äußerste Zurückhaltung auf. Zeitungen schrieben, Österreich habe sich 150 Tage vor der Fußball-Europameisterschaft weltweit blamiert.

Befürchtungen werden laut, nun werde auch Österreich wie beim Karikaturenstreit im Jahr 2006 in den Fokus internationaler Terroristen geraten. Im Internet ist ein (eher dubioses) Drohvideo aufgetaucht, das Anschläge auch in Österreich prophezeit. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Wien hat Winter unter Polizeischutz gestellt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Auch der Tatbestand der "Herabwürdigung religiöser Gemeinschaften und Bekenntnisse" wird geprüft. Die Parteien der Großen Koalition, SPÖ und ÖVP, verurteilten Winters Äußerungen. Die Grünen nannten "diesen Tiefpunkt" in der "Hetze gegen Minderheiten" eine "unerträgliche politische Blödheit".

Der evangelische Bischof Michael Bünker geißelte den Missbrauch "zentraler Glaubensaussagen" von Mitbürgern für Wahlkampfzwecke. Für die katholische Kirche zeigte sich der Wiener Weihbischof Helmut Krätzel "entsetzt" über eine solche Respektlosigkeit "gegenüber Überzeugungen anderer".

Kritik vom ÖVP-Granden am Wiener Erzbischof

Das ist dem früheren Vizekanzler und ÖVP-Vorsitzenden Erhard Busek nicht genug. Bischof Krätzel werde immer vorgeschickt, ohne dass sich die Kirchenspitze selbst eindeutig positioniere, kritisierte der christsoziale Politiker.

Der heutige Sonderkoordinator der EU für den Balkan-Stabilitätspakt griff im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung den Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn direkt an: Der wichtigste Kirchenvertreter Österreichs - der sich bislang nicht geäußert hat - müsse sich in aller Entschiedenheit gegen die "Hasskampagnen" in seinem Lande stellen.

Man habe das Gefühl, es müsse jemand dem Kardinal erst "geistigerweise eine herunterhauen", bis er aufwache. Warum, so fragte Busek, nutze der Erzbischof seine regelmäßige Kolumne in der Neuen Kronen Zeitung, dem einflussreichsten Massenblatt Österreichs, nicht als Podium für Mäßigung und als Mittel gegen die Anti-Islam-Hass-Welle der vergangenen Jahre.

Busek sieht die ebenfalls von diesem Blatt angeführte "Hass-Kampagne" gegen die EU als "Geist vom gleichen Geiste", gegen die der Kardinal ebenfalls um der Menschen willen auftreten müsse, angesichts der krassen Unwahrheiten, mit denen sie geführt werde. Busek warf der "zivilen Gesellschaft" Österreichs insgesamt vor, der Herabwürdigung von Überzeugungen und liberal gesinnten Institutionen nicht entschieden genug entgegenzutreten.

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SZ vom 16.01.2008/ sme/maru
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